Das
Oberlandesgericht Frankfurt (30. Januar 2020 6 W 9/20) zeigt eine
praxisgerechte Lösung. Jede Ermittlung gemäß § 293 ZPO wie ein Vollbeweis käme
im Regelfall zu spät. Die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) ist auch hier das Mittel
der Wahl.
„Ist
im Eilverfahren der Inhalt des anzuwendenden Rechts aufgrund der
Eilbedürftigkeit nicht zuverlässig zu ermitteln, ist weder nach deutschem Recht
zu entscheiden noch der Antrag unter Darlegungslastgesichtspunkten
zurückzuweisen. Vielmehr ist nach einer lediglich summarischen
Schlüssigkeitsprüfung im Rahmen einer Abwägung der Interessen der Parteien zu
entscheiden.“
Die Parteien streiten im Eilverfahren um einen
wettbewerblichen Unterlassungsanspruch. Die Parteien schlossen einen
Franchise-Vertrag hinsichtlich des sog. „MBST“-Therapiesystems für das Gebiet
Italien. Mit Kündigungsschreiben vom 02.11.2018 erklärte die Antragstellerin
die fristlose Kündigung, hilfsweise die Kündigung zum 31.01.2019. Die
Antragsgegnerin betreibt die Webseite „x.it“, auf der sowohl in englischer als
auch in italienischer Sprache unter der Bezeichnung „Y“ u.a. unter Benutzung
verschiedener Lichtbilder der Antragstellerin, bei der die Markenbezeichnungen
entfernt wurden, eine Magnetresonanztherapie beworben wird, die technisch der
der Antragstellerin gleicht, ohne dass die Antragstellerin jedoch erwähnt wird.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit
der der Antragsgegnerin die Beschreibung der Therapie und die Verwendung der
Fotos ohne konkreten Hinweis auf die Antragstellerin untersagt werden sollte,
mit Beschluss vom 27.12.2019 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt,
ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sei vor Eingang des Eilantrages
abgelaufen. Lauterkeitsrechtliche Ansprüche scheiterten daran, dass nach
Art. 6 I Rom II-VO italienisches Recht anwendbar sei. Der hiergegen
eingelegten Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem
Senat zur Entscheidung vorgelegt. Ein Verstoß gegen italienische
Wettbewerbsvorschriften sei nicht hirneichend glaubhaft gemacht. Die zulässige
Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den
Verfügungsantrag zu Recht zurückgewiesen, da die Antragstellerin weder auf
vertraglicher Grundlage noch auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage den begehrten
Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin geltend machen kann.
Im Hinblick auf die
hilfsweise geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüche hat
das Landgericht zu Recht die Anwendung deutschen Rechts verneint; hinsichtlich des
italienischen Rechts vermag der Senat im Eilverfahren keine hinreichend
sicheren Feststellungen zu treffen. Das anwendbare Recht bei
lauterkeitsrechtlichem Verhalten bestimmt sich grundsätzlich nach Art. 6 I
Rom II-VO. Danach ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem
Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die
Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher
beeinträchtigt worden sind. Im Hinblick auf den marktschützenden Charakter der
Kollisionsregel beschränkt sich die spezielle Anknüpfung in Art. 6 I auf
marktbezogene Verstöße, d.h. Verstöße, die nicht ausschließlich die Interessen
eines bestimmten Mitbewerbers berühren. Beeinträchtigt ein unlauteres Verhalten
hingegen ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers, gilt
nach Art. 6 II die allgemeine deliktskollisionsrechtliche Regelung des
Art. 4, die an den Ort des Schadenseintritts anknüpft. Unlauteres
Wettbewerbsverhalten, das ausschließlich die Interessen eines bestimmten
Wettbewerbers beeinträchtigt, ist nicht denkbar, denn auch bilaterale
Wettbewerbshandlungen wirken sich im Ergebnis auf den Markt und damit das
Allgemeininteresse aus. Daher ist die Einschränkung des Art. 6 II nicht
wortlautgetreu zu verstehen: Sie erfasst nur gezielt gegen einzelne Mitbewerber
gerichtete Verstöße (BeckOGK/Poelzig/Windorfer, 1.12.2018, Rom II-VO
Art. 6 Rn. 94-96). Diesen von Art. 6 Abs. 2 erfassten
unternehmensbezogenen Eingriffen fehlt die unmittelbar marktvermittelte
Einwirkung auf die geschäftlichen Entscheidungen der Marktgegenseite, die eine
Sonderanknüpfung ausschließt. Ist allerdings ein unternehmensbezogener Eingriff
mit marktvermittelten Einwirkungen auf die geschäftlichen Entscheidungen der
ausländischen Marktgegenseite verbunden, so bleibt Art. 6 I Rom II-VO
anwendbar (BGH GRUR 2010, 847 Rn. 19 - Ausschreibung in Bulgarien; BGH WRP
2014, 548 Rnr. 37, 38 - englischsprachige Pressemitteilung; BGH WRP 2017, 434
Rnr. 43 - World of Warcraft II; BGH WRP 2018, 1081 Rnr. 23 - goFit;
Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., Einleitung, Rnr. 5.31 ff). Dazu
gehört u.a. auch die Behinderung eines Mitbewerbers bei seinen Kunden oder das
Angebot von Produktnachahmungen unter Täuschung über die betriebliche Herkunft
(Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., Einleitung, Rnr. 5.32). In diesen
Fällen wird auf die Verbraucher unlauter eingewirkt, insbesondere deren
Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung oder deren Entscheidungsfreiheit
beeinträchtigt wird. c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das
Landgericht zu Recht von der Anwendbarkeit italienischen Rechts ausgegangen.
(1) Mit dem Landgericht geht der Senat zunächst davon aus, dass Marktort im
Sinne von Art. 6 I Rom II - VO Italien ist. Die Webseite www.x.it richtet sich
ganz offensichtlich an den italienischen Markt. Dies wird nicht nur durch die
First-Level-Domain „.it“ (Italien) deutlich, sondern auch durch die Tatsache,
dass der die Domain bildende Begriff „x“ der italienischen Sprache entstammt
und übersetzt „Schau in mich“ bedeutet. Hinzu kommt der in italienischer
Sprache gehaltene Inhalt. … d) Der Senat sieht sich nicht in der Lage, auf
den vorliegenden Fall italienisches Wettbewerbsrecht anzuwenden. Die
Antragstellerin hat zwar in der Beschwerde § 2598 und 2599 des italienischen
Zivilgesetzbuches vorgelegt, ohne jedoch zu Systematik und Auslegung
vorzutragen. Einziger Ansatzpunkt ist die Generalklausel in § 2598 III des
italienischen Zivilgesetzbuches, die aufgrund ihrer Unbestimmtheit und Weite
ohne Kenntnis der hierzu ergangenen Rechtsprechung für den Senat keine
Grundlage für eine Entscheidung sein kann. Hinzu kommt, dass es sich bei
§ 4 Nr. 4 UWG um nicht harmonisiertes Recht handelt, so dass nicht
gewährleistet ist, dass eine entsprechende Rechtsanwendung - und sei es nur den
Grundzügen nach - auch in Italien erfolgt. Über weitergehende Erkenntnisquellen
verfügt der Senat nicht. Der Senat wäre daher gehalten, insoweit im Rahmen von
§ 293 ZPO Beweis zu erheben. Für
das Eilverfahren ist eine solche Beweiserhebung jedoch grundsätzlich
ungeeignet, da die damit einhergehende Verzögerung mit dem Charakter des
Eilverfahrens unvereinbar ist (Sommerlad, NJW 1991, 1377) e) Die Frage, wie
einer derartigen Sondersituation im Eilverfahren umzugehen ist, ist umstritten.
(1) Teilweise wird die Ansicht vertreten, in allen Fällen, in denen das
ausländische Recht nicht sofort ermittelt werden kann, auf dem Weg der lex fori
generell auf das deutsche Recht zurückzugreifen (MüKoBGB/Sonnenberger Einl. zum
IPR Rnr. 449; MüKoUWG-Mankowski, Teil II.5, Rnr. 131; BeckOK-Bacher, ZPO, 35.
Edition, § 293, Rnr. 24). Diese Lösung ist problematisch, weil sie die
kollisionsrechtlichen Regelungen ohne rechtliche Grundlage außer Kraft setzt
und somit zur Anwendung eines eigentlich nicht anwendbaren Rechts führt. Zudem
hat der Gesetzgeber - in Kenntnis entsprechender gesetzlicher Regelungen in der
Schweiz und Österreich von der Einführung einer vergleichbaren Regelung in
Deutschland abgesehen. De lege ferenda ist nicht zu bezweifeln, dass eine Norm,
wie sie das österreichische und das schweizerische Recht kennen, eine
praktikable Lösung wäre. Sie bedürfte freilich auch im deutschen Recht einer
eindeutigen Normierung, an der es fehlt (MüKo-Prütting, ZPO, 5. Aufl.,
§ 293, Rnr. 66). (2) Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass in
derartigen Fällen die Antragstellerin als „beweisfällig“ anzusehen ist
(Nagel/Gottwald, S. 376; Schütze, S. 186; Geimer, Rnr. 2593), was der
Senat indes ablehnt. Für den Inhalt ausländischen Rechts gibt es keine Beweislast
im eigentlichen Sinn (Zöller-Geimer, § 293 Rnr. 16; Küppers, NJW 1976,
489; Sommerlad, NJW 1991, 1377). Diejenige Partei, die sich auf das Bestehen
eines ausländischen Rechtssatzes beruft, muss die Existenz und den Inhalt eines
bestimmten ausländischen Rechtssatzes im Bestreitensfall nicht beweisen und
trägt daher grundsätzlich auch nicht das Risiko, im Falle der
Nichtbeweisbarkeit mit dem Anspruch abgewiesen zu werden. Vielmehr sollte die
Rechtspflicht des Gerichts, das ausländische Recht zu ermitteln, durch ein Misslingen
der von der Partei angebotenen Nachweise unberührt bleiben. - Seite 8 von 8 -
(3) Eine dritte Auffassung (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 293, Rnr. 57;
Schack IPRax 1995, 158, 161; OLG Hamburg, IPrax 1990, 400 ff.), der der Senat
folgt, sucht die Lösung des Problems darin, dass die Rechtsprüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Form einer
summarischen Schlüssigkeitsprüfung durchgeführt wird, die die wahre
materielle Rechtslage weitgehend offenlässt. Da in einem solchen Fall die Richtigkeitsgewähr der Entscheidung
erheblich reduziert ist, soll eine Abwägung der Interessen von Antragsteller
und Antragsgegner hinzutreten. Unter Zugrundelegung der oben dargestellten
Probleme des Senats bei einer auch nur summarischen Prüfung der Rechtslage sind
daher die Interessen von Antragstellerin und Antragsgegnerin hier abzuwägen.
Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die
Antragsgegnerin selbst im Hinblick auf die weitere Nutzung des Zeichens „MBST“
abgemahnt hatte. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass nach dem
unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin die MBST-Therapie weiter unter
Nennung der Marke und Therapieform der Antragstellerin unter mbst.terapia.it
bewirbt, obwohl sie hierzu nach Ende des Vertrages nicht mehr verpflichtet
wäre; dies relativiert den Vorwurf der Behinderung des Markteintritts in
Italien für die Antragstellerin. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der
Kern des Angriffs der Antragstellerin dagegen richtet, dass die Antragsgegnerin
die Technik der Magnetresonanztherapie bewerben, ohne darauf aufmerksam zu
machen, dass die Antragstellerin die Technologie „erfunden habe“.
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