Mittwoch, 15. Dezember 2021

US-Trust gilt nicht als Beschenkter beim Pflichtteilsergänzungsanspruch

Rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Stuttgart (28 U 98/15) verneint die Möglichkeit der Rückforderung eines Geschenks an einen Trust in Florida

Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern (§ 2329 Abs. 1 S. BGB)

Der Kläger ist der enterbte Sohn des Erblassers. Dieser hatte im US-Bundesstaat Florida einen widerruflichen Trust gegründet und ihm erhebliches Barvermögen zugewandt. Das Vermögen des Trusts wurde schließlich in einem amerikanischen Verfahren an einen begünstigten Dritten übertragen.

Im Rahmen der Nachlassspaltung macht der Kläger nach deutschem Recht die Ergänzung seines beeinträchtigten Pflichtteils durch Herausgabe eines Teils dieser Barzuwendung geltend.

Das Landgericht bejaht zwar die Anwendbarkeit deutschen Rechts, doch sieht es keine Schenkung im Sinne von § 2329 BGB. Diese Schenkung müsse endgültig ein. Es dürfe nicht lediglich um einen Durchgangserwerb zur Weiterleitung an einen Begünstigten handeln. Anders als bei einer Stiftung, die selbstständig entscheide, wie die zugewandten Gelder zu verwenden seien, wäre der Trust hier derart gebunden, wie das Vermögen an dem begünstigten Dritten weiterzuleiten sei, dass wirtschaftlich nicht von einem Beschenkten die Rede sein könne.

Das Urteil ist vertretbar, doch missachtet es die Schutzbedürftigkeit des Pflichtteilsberechtigten. Ein Verfahren in den USA zur Abwicklung eines solchen Trusts kann sich über Jahre hinziehen. Währenddessen muss der Pflichtteilsberechtigte abwarten. Überzeugender wäre die Bejahung der Qualität des Beschenkten gewesen mit dem Korrektiv des Wegfalls der Bereicherung, wie es § 2329 BGB ohnehin mit seinem Verweis auf das Bereicherungsrecht vorsieht. Sobald also das Vermögen an den Begünstigten weitergeleitet wurde, ginge der Anspruch außer bei Bösgläubigkeit ins Leere.


Die Gesellschaft gemäß §§ 705 ff. BGB unterscheidet sich von der Gemeinschaft gemäß § 741 ff. BGB durch die vertraglich verein-barte Verpflichtung, über die gemeinschaftliche Berechtigung an den gemeinsamen Gegenständen hinaus einen gemeinsamen Zweck zu fördern. Die Gemeinschaft ist dagegen „Interessenge-meinschaft ohne Zweckgemeinschaft“

Maßgebend dafür, ob im konkreten Fall eine Gesellschaft oder eine Bruchteilsgemeinschaft begründet wurde, ist nach Ansicht des Oberlandesgericht Stuttgart (14 U 7/20) der Parteiwille.

Die Parteien streiten um die Rechtsverhältnisse an einer in den 70er Jahren errichteten, ursprünglich auf dem Grundstück der Beklagten zu 2 befindlichen Heizanlage, welche bis vor einigen Jahren drei Wohnungseigentümergemeinschaften, nämlich die Klägerin, die Beklagte zu 2 und eine nicht am Rechtsstreit beteiligte Wohnungseigentümergemeinschaft, sowie einen Kindergarten mit Heizung und Warmwasser versorgt hatte.

Rechtliche Grundlage für die Errichtung der Heizanlage war eine Vorgabe im Bebauungsplan der Gemeinde Altbach vom 29.10.1971, wonach die entstehenden Geschossbauten an die geplante Heizanlage anzuschließen waren. In der Folge schloss die Gemeinde mit den Bauträgern einen notariellen Vertrag (sog. Heizvertrag vom 16.05.1972), der Errichtung und Betrieb dieser Heizzentrale näher regelte. Teilweise erfolgte eine Besicherung der dort verankerten Rechte und Pflichten mit Grunddienstbarkeiten.

Die Klägerin erhebt Anspruch auf die anteilige Instandhaltungsrücklage, den anteiligen Wert des Heizölbestands sowie ein Abrechnungsguthaben.

Das Oberlandesgericht verneint bereits die Zulässigkeit der vorliegenden Klage, weil es an der notwendigen, gemäß § 56 ZPO von Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzung der Parteifähigkeit der Gemeinschaft Heizzentrale fehle. Hierzu führt es insbesondere wie folgt aus:

Parteifähig ist nach § 50 Abs. 1 ZPO, wer rechtsfähig ist. Während die Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff BGB nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann, kommt der im Rechtsverkehr auftretenden Außengesellschaft nach §§ 705 ff. BGB Rechtsfähigkeit zu.

Für eine Gemeinschaft spricht zuvörderst der Wortlaut des sog. Heizvertrags, der an verschiedenen Stellen ausdrücklich von der „Gemeinschaft" spricht, nicht hingegen von einer Gesellschaft. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um eine zufällige, unüberlegte Wortwahl handeln könnte, liegen nicht vor, zumal der Heizvertrag notariell beurkundet wurde.

Die Vereinbarung der analogen Anwendbarkeit bestimmter Regelungen des WEG-Rechts passt eher zur Gemeinschaft denn zur Gesellschaft. Auch ist die subsidiäre Anwendung des Gemeinschaftsrechts angeordnet.

Die Vertragsschließenden wollten die freie Übertragbarkeit des „Anteils" an der Heizzentrale.

Die Parteien haben die Unauflöslichkeit der Gemeinschaft vereinbart. Das Gemeinschaftsrecht gestattet einen solchen Ausschluss des Aufhebungsrechts im Rahmen der Bestimmung von § 749 Abs. 2 BGB; die Gesellschaft verbietet dagegen den Ausschluss des Kündigungsrechts (§ 723 Abs. 3 BGB).

Für die Annahme einer Gesellschaft könnte sprechen, wenn die Verfolgung eines gemeinsamen Ziels, das über die bloße Nutzung der Heizanlage hinausginge, verabredet worden wäre. Das gemeinsame „Innehaben" der Heizzentrale, das auch die Gemeinschaft kennzeichnet, gehöre nicht dazu. Ein übergeordneter Zweck - wie z. B. die Absicht der Gewinnerzielung, die Absicht, zur Verbreitung solcher Heizanlagen beizutragen etc. - ist damit nicht verknüpft. Inwieweit die bloße gemeinsame Nutzung einen tauglichen Gesellschaftszweck darstellen kann, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Denn sie bildet jedenfalls keinen ausschlaggebenden Hinweis auf die Absicht einer Gesellschaftsgründung, weil sie bei der Begründung einer Gemeinschaft in gleicher Weise gegeben wäre.

Das Gericht verweist auf seine frühere Entscheidung (Urteil vom 12.01.2005, 3 U 167/04) sowie das OLG Karlsruhe (Urteil vom 12.07.1991, 9 U 87/90), die ebenfalls Eigentümergemeinschaften angenommen hätten.

Das Urteil mag vertretbar sein; es überzeugt aber weder bei der Frage, an welchem Recht eine Eigentümergemeinschaft gebildet worden sei, noch lässt diese Qualifikation eine praktikable Lösung der rechtlichen Probleme einer in die Jahre gekommenen Heizungsanlage eines Mehrfamilienhauses zu. Das Gericht selbst spricht von „Anteilen“ an der Heizzentrale. Was dieser Anteil umfasst, lässt das Gericht offen. Ein Anteil am Eigentum wäre im Grundbuch einzutragen. Eine Heizungsanlage ist gemäß § 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Die weiter vom Gericht genannten „Rechte und Pflichten an der Heizzentrale“ bleiben nebulös. Gerade aber ein Anschlussrecht an die Heizungsanlage einschließlich gemeinsamer Verwaltung legt aber auch den übergeordneten Zweck für die Annahme einer Gesellschaft nahe. Es geht eben nicht um die bloße Nutzung der Heizungsanlage, sondern um das gemeinsame Betreiben z. B. durch Brennstoffbeschaffung oder Vergabe der Verwaltung. Dieses Betreiben muss entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht der Gewinnerzielung dienen, sondern kann sich auch in der Kostenoptimierung zugunsten aller beschränken.

Praktikabel ist die vom Oberlandesgericht angebotene Lösung allemal nicht. Bei ursprünglich 154 Bruchteilseigentümern vor nahezu 50 Jahren lassen sich die heutigen Bruchteilseigentümer kaum noch feststellen. Ohne Grundbuch, also ausschließlich anhand der nichtöffentlichen Dokumentation der vertraglichen Übertragung des Bruchteilseigentums gerät jeder Versuch, eine Änderung des ursprünglichen Brucheigentumsvertrages oder gar seine gerichtliche Beendigung herbeizuführen, zu einem Schuss in den Nebel. Bei einer Aufhebung gemäß § 749 BGB muss entweder jeder Miteigentümer zustimmen oder verklagt werden. Das Kostenrisiko bei einer Klage gegen 153 andere ist auch vor dem Amtsgericht kaum von der Hand zu weisen. Bei Beteiligung der Wohnungseigentümergemeinschaften in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts könnte dementgegen Streitigkeiten durch die stellvertretend auftretenden Verwalter relativ einfach ausgefochten werden, zumal die Verwalter tagtäglich mit den Fragen der Hausverwaltung befasst sind.

Selbstverständlich gilt, dass jeder sein Recht dort zu suchen hat, wo er es gelassen hat. Allerdings sollte gute Rechtsprechung eher Brot als Steine liefern.