Brexit nach Art. 50 Abs. 3 EU-Vertrag – erste Rechtsgedanken
„Die Verträge finden auf den
betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder
andernfalls zwei Jahre nach der in Absatz 2 genannten Mitteilung keine
Anwendung mehr… Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem
Europäischen Rat seine Absicht mit.“ Art. 50 Abs. 2 und 3 EU-Vertrag
Die Volksabstimmung der Briten
für einen Austritt aus der Europäischen Union („Brexit“) stellt in den nächsten
Jahren eine Herausforderung für die Vertragsgestaltung im Hinblick auf das Vereinigte
Königreich dar. Gemäß Art. 50 des EU-Vertrags sollen die Verträge spätestens
nach zwei Jahren nach Mitteilung der Austrittsabsicht nicht mehr gelten.
Darunter fallen wohl auch das gesamte Sekundärrecht und der Acquis
communautaire.
Inwieweit die zukünftigen
Rechtsbeziehungen wie im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit Island,
Norwegen und Liechtenstein geregelt werden, bleibt abzuwarten. Ein harter
Austritt ohne Austrittsabkommen wird juristisch wohl nur mit Ausnahmeregelungen
wie den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder Ähnlichem gehandhabt werden können.
Für die Vertragsgestaltung gilt
es insbesondere zu beachten:
1. Gerichtsstandsvereinbarung
Als Ersatz für die so genannte
Brüssel Ia-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung
und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12.
Dezember 2012 (Verordnung Nr. 1215/2012) dürfte wohl das Luganer Übereinkommen
vom 30. Oktober 2007 für das Vereinigte Königreich in Kraft treten. Die
Regelungen bleiben dann im Großen und Ganzen vergleichbar. Andernfalls sind für
Deutschland die Vorschriften der Zivilprozessordnung, insbesondere §§ 12 ff.,
38 ff. ZPO zur Gerichtsstandsvereinbarung, auch auf internationale Sachverhalte
wie hier mit dem Vereinigten Königreich anzuwenden.
2. Rechtswahl
Die römischen Verordnungen,
insbesondere Rom I über das auf vertragliche Schuldnerverhältnisse anzuwendende
Recht vom 17. Juni 2008 (Verordnung Nr. 593/2008) kommen nur noch in
Deutschland als loi uniforme (Art. 2) zur Anwendung. Im Vereinigten Königreich wird
trotzdem eine Rechtswahl weiterhin möglich sein („express or implied choice of law“)
möglich sein. Ansonsten gilt das Recht des Landes, mit dem der Vertrag die engsten
Verbindungen aufweist („centre of gravity“).
Im Rahmen des Gesellschaftsstatuts
könnte die vor allem europarechtliche Pflicht zur Anerkennung ausländischer
Gesellschaft nach der Besprechung des EuGH (u.a. „Inspire Art“) für eine
englische Limited nicht mehr gelten. Der Bundesgerichtshof hält auch nach
Einführung der Gründungstheorie für die deutsche GmbH bzw. Aktiengesellschaft
an der Sitztheorie des deutschen Gesellschaftsrechts fest. Eine englische
Kapitalgesellschaft verwandelte sich bei Sitzverlegung nach Deutschland also
wieder in eine Personengesellschaft, regelmäßig in Form einer offenen
Handelsgesellschaft. Das Aufleben der persönlichen Haftung der Gesellschafter
wäre die Folge.
3. Salvatorische Klausel
Angesichts der Unwägbarkeiten der
Fortgeltung vielfacher Regelungssysteme sollte jeder ab sofort im Hinblick auf
das Vereinigte Königreich geschlossene Vertrag eine salvatorische Klausel
enthalten. Der Streit um die Sinnhaftigkeit von salvatorischen Klauseln im
Zivilrecht ist insoweit erledigt. Insbesondere auch eine Pflicht zur
Neuverhandlung sollte eine salvatorische Klausel enthalten. Die automatische Geltung
einer Regelung, die dem von den Parteien gewollten Vertragsinhalt möglichst
nahe kommt, macht angesichts des möglichen Wegfalls kompletter Regelungssysteme
nicht viel Sinn. Die Frage, was dann gelten soll, ist damit nicht beantwortet.
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