Mittwoch, 28. September 2016

Grenzüberschreitender Formwechsel innerhalb der Europäischen Union ist analog der innerstaatlichen Vorschriften gemäß §§ 190 ff. UmwG durchzuführen

Urteil des Kammergerichts vom 21. März 2016 52 W 64/15 sorgt für Klarheit


Im Zuge der Öffnung der strengen Sitztheorie in Deutschland wird seit der SEVIC-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur grenzüberschreitenden Verschmelzung vom 13. Dezember 2005 (C-411/03) die praktische Umsetzung von grenzüberschreitenden Umwandlungen in der Europäischen Union diskutiert. Gesetzgeberisch wurde das deutsche Umwandlungsgesetz aufgrund der Richtlinie 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vom 26.10.2005 (ABl EU Nr L 310, 1) um die §§ 122a ff. UmwG zur grenzüberschreitenden Verschmelzung ergänzt. Alle anderen grenzüberschreitenden Umwandlungen wie Spaltung, Ausgliederung oder Formwechsel sind allerdings in Deutschland noch nicht normiert.
Vorliegend geht es um den Formwechsel einer französischen Société à responsabilité limitée in eine deutsche GmbH.

Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der Art. 49, 54 AEUV, die dem nationalen Recht vorgehen, ist davon auszugehen, dass insbesondere die Vorschriften der §§ 191, 226 UmwG, die eigentlich abschließend die Rechtsträger benennen, die einen Formwechsel durchführen können, dem angemeldeten Formwechsel nicht entgegen stehen, auch wenn sie - wie hier - den beteiligten ausländischen Rechtsträger nicht als formwechselfähig aufführen (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - C 378/10 - Vale).

Die danach erforderliche Anpassung des deutschen Sachrechts hat nicht unter Anwendung der Vorschriften über den grenzüberschreitenden Sitzwechsel einer Europäischen Aktiengesellschaft zu erfolgen, denn die supranationale Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft SE ist vor allem auf Großunternehmen zugeschnitten. Die hohen Anforderungen an den Formwechsel würden zu einer erheblichen Benachteiligung gegenüber einer vergleichbaren deutschen Kapitalgesellschaft, im konkreten Fall einer deutschen GmbH führen. Aus diesem Grund muss es bei einer Anwendung der Regeln eines Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH bleiben, wie sie das UmwG vorsieht. Danach muss der Gesellschaftsvertrag u. a. Zahl und Nennbeträge der Geschäftsanteile enthalten oder den Hinweis, dass die Kapitalaufbringung durch den Formwechsel der ursprünglichen Gesellschaft erfolgt ist. Außerdem kann wie hier bei einer französischen Société à responsabilité limitée der Nachweis die Werthaltigkeit des Vermögens verlangt werden. Nur im Falle des Formwechsels einer Aktiengesellschaft oder vergleichbaren ausländischen Handelsgesellschaft mit strengerem Prüfungsmaßstab bei der Kapitalaufbringung ist eine solche Werthaltigkeitsprüfung nicht vorgeschrieben.

Das Kammergericht bestätigt damit die Rechtsprechung des OLG Nürnberg zum Formwechsel einer luxemburgischen Société à responsabilité limitée nach Deutschland in eine deutsche GmbH, Beschluss vom 19. Juni 2013 - 12 W 520/13.

Grenzüberschreitende Umwandlungen mit Staaten außerhalb der Europäischen Union bleiben weiterhin sowohl gesetzgeberisch als auch judikativ so gut wie unreguliert. Hier ist im Zweifel sehr viel juristische Kreativität und Zusammenarbeit mit den Beteiligten Registern erforderlich. Die Unsicherheit über die Wirksamkeit einer solchen Umwandlung und damit steuerrechtliche Anerkennung macht solche Umwandlungen oft von Anfang an schon undurchführbar.

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