Das Urteil des Bundesgerichtshofs verdeutlicht die Bedeutung des Verbraucherschutzes in grenzüberschreitenden Vertragsverhältnissen und schafft Präzedenz für die weite Auslegung des Begriffs „Finanzdienstleistung“. Rechtsanwälte sollten bei der Vertragsgestaltung sicherstellen, dass Rechtswahlklauseln und Verbraucherschutzregelungen den europäischen Standards entsprechen. Außerdem gilt:
·
Prüfung der Einordnung als
Finanzdienstleister: Analyse, ob ein Geschäftsmodell
Finanzdienstleistungscharakter hat.
·
Überprüfung der AGB &
Vertragsgestaltung: Klare Widerrufsbelehrung und rechtskonforme Rechtswahl.
·
Compliance-Management einrichten:
Interne Prozesse für Verbraucherschutz, Geldwäscheprävention und
Transparenzpflichten implementieren.
·
Aufsichtsrechtliche Anforderungen
beachten: Bei Finanzdienstleistungen ggf. Registrierung oder Genehmigung bei
der BaFin einholen.
·
Risikoaufklärung für Kunden verbessern:
Sicherstellen, dass Investitionen realistische Ertragserwartungen und
Risikohinweise enthalten.
1. Sachverhalt
1.2.
Der Kläger, ein Verbraucher aus
Deutschland, schloss solche Verträge und widerrief diese später unter Berufung
auf sein Widerrufsrecht.
1.3. Die
Streitpunkte umfassen:
1.3.1. Die
internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.
1.3.2. Die
Anwendbarkeit deutschen Rechts trotz einer Rechtswahlklausel zugunsten des
Schweizer Rechts.
1.3.3. Die
Frage, ob die Verträge als Finanzdienstleistungen gelten und ob ein
Widerrufsrecht besteht.
2. Rechtliche
Begründung des Gerichts
2.1. Internationale
Zuständigkeit deutscher Gerichte
Die Zuständigkeit
deutscher Gerichte wurde gemäß Art. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1
Alt. 2 des Lugano-Übereinkommens (LugÜ II) bejaht, da die Beklagte ihre Geschäftstätigkeit
auf Deutschland ausgerichtet hatte (u.a. durch Zahlungsangaben in Euro und
deutsche Kontoverbindungen).
Die
geschäftsbedingungsmäßige Gerichtsstandsklausel, welche die Zuständigkeit auf
die Schweiz beschränkt, wurde für unwirksam erklärt. Sie lautete: „Streitigkeiten
aus dem Vertragswerk unterstehen einzig der ordentlichen Gerichtsbarkeit am
Sitz [der Beklagten] in der Schweiz.“
Für die Auslegung des
LugÜ II gelten dieselben Auslegungsgrundsätze wie für die Auslegung der
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 12 S. 1; im Folgenden:
Brüssel I-VO), da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst
einheitlichen Auslegung der Bestimmungen verpflichtet haben.
2.2. Anwendbares
Recht
Nach Art. 6 Rom I-VO
gilt deutsches Recht, da die Beklagte ihre Tätigkeit auf Deutschland ausrichtete.
Die Angabe des Kaufpreises in Euro, der aufgedruckte Hinweis, dass die Beklagte
für jeden verkauften Baum „10 €/ct“ an UNICEF spenden werde, sowie eine
Kontoverbindung in Deutschland sprechen für diese Ausrichtung.
Die Rechtswahl
zugunsten des Schweizer Rechts in den AGB wurde gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom
I-VO ausgeschlossen, da sie den Verbraucherschutz unter deutschem Recht
beeinträchtigt hätte. Die Klausel lautete: „Das Vertragswerk untersteht
Schweizerischem Recht ... Die Anwendung des Wiener Kaufrechts wird ausdrücklich
ausgeschlossen.“
Die Parteien haben damit
indes die Anwendung des CISG wirksam ausgeschlossen (Art. 6 CISG)
2.3. Widerrufsrecht
Der Kläger hatte ein
Widerrufsrecht nach § 312b, § 312d und § 355 BGB a.F., da die Verträge Fernabsatzverträge
über Finanzdienstleistungen waren.
Ein Ausschluss des
Widerrufsrechts nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. wurde verneint, da es sich
nicht um rein spekulative Geschäfte handelte.
2.4. Finanzdienstleistung
Der Begriff der
Finanzdienstleistung wurde weit ausgelegt. Der Verkauf von Teakbäumen mit
begleitender Verwaltung und Vermarktung erfüllte die Voraussetzungen einer
Finanzdienstleistung gemäß § 312b BGB a.F. Der Erwerb von Teakbäumen durch
Verbraucher war nicht als bloßer Kauf eines Sachguts zu betrachten. Die
Beklagte übernahm nicht nur den Verkauf, sondern bot auch eine gesamte
Bewirtschaftung, Verwaltung, Ernte und den späteren Weiterverkauf der Bäume an.
Der wirtschaftliche Zweck der Transaktion war nicht der sofortige Erwerb von
Teakholz zur eigenen Nutzung, sondern eine Kapitalanlage mit Renditeerwartung,
vergleichbar mit Investitionen in Finanzinstrumente.
3. Bewertung:
3.1. Stärkung
des Verbraucherschutzes
Das Urteil schützt
Verbraucher vor ungünstigen Rechtswahlklauseln und ermöglicht den Rückgriff auf
nationale Schutzvorschriften.
3.2. Weite
Auslegung des Finanzdienstleistungsbegriffs
Diese Interpretation
berücksichtigt wirtschaftliche Realitäten, in denen Sachwerte oft wie
Finanzinstrumente behandelt werden. Die Einordnung von Sachwerten als
Finanzdienstleistungen könnte als Überdehnung der Definition angesehen werden.
3.3. Konsequente
Anwendung der LugÜ II-Regeln
Die Entscheidung
stärkt die Rechtssicherheit in grenzüberschreitenden Verbraucherverträgen.
3.4. Höhere
Compliance-Anforderungen für Unternehmen
Unternehmen, die
grenzüberschreitend tätig sind, könnten durch strengere Regelungen abgeschreckt
werden. Die Anwendung nationaler Verbraucherschutzgesetze auf ausländische
Unternehmen könnte Handelshemmnisse schaffen. Unternehmen, die
Finanzdienstleistungen erbringen, unterliegen in der Regel einer
aufsichtsrechtlichen Regulierung durch nationale oder europäische Behörden:
BaFin (Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht) in Deutschland für Finanzdienstleistungen.
Europäische
Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) für EU-weite Vorgaben.
Ggf. Einordnung als
Finanzdienstleistungsinstitut nach KWG (Kreditwesengesetz).
Falls die angebotenen
Produkte als Wertpapiere eingestuft werden, sind zusätzliche Prospektpflichten
nach WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) oder VermAnlG (Vermögensanlagengesetz) zu
beachten.
Außerdem treffen
Unternehmen, die Finanzdienstleistungen erbringen, Informations- und
Transparenzpflichten wie die Vollständige und klare Offenlegung aller
Vertragsbestandteile (Art. 246a EGBGB). Unternehmen müssen Verbraucher über die
Funktionsweise der Geldanlage, Risiken und erwartete Renditen aufklären. Auch
gilt das Verbot von irreführender Werbung, insbesondere keine falschen
Renditeversprechen oder Täuschung über Risiken.
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