Freitag, 23. Februar 2018

Zwei Verfahren ermöglichen dem Oberlandesgericht Stuttgart, die Anforderungen an die Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren im Wettbewerbs-/Markenrecht klarzustellen

Seine Geschwindigkeit macht das einstweilige Verfügungsverfahren attraktiv. In diesem Bereich der immateriellen Güter muss schnell staatliche Hilfe zur Verfügung stehen. Demgemäß hat sich das Verfahren aber auf einen Verhandlungstermin zu konzentrieren.
Allen in diesem Bereich tätigen Juristen sind diese formellen Anforderungen geläufig. Manchmal müssen Außenseiter darauf hingewiesen werden.
„Ein Schriftsatznachlass kann im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht gewährt werden“ (OLG Stuttgart Urteil vom 5.1.2017, 2 U 95/16).
„Die Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 2 UWG gilt analog für Unterlassungsansprüche aus dem Markenrecht.“ (OLG Stuttgart Urteil vom12.10.2017, 2 U 162/16).
Zum Antrag auf Schriftsatznachlass führt das Oberlandesgericht aus:
„Ein Schriftsatznachlass kann im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht gewährt werden. Die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach der Zivilprozessordnung sind auf eine sofortige Entscheidung des Gerichts ausgerichtet, um einen gegebenen Anspruch schnell zu sichern oder die durch eine Zustellung des Antrages geschaffene Rechtsunsicherheit schnell zu beenden. Um diesem Zweck zu genügen, besteht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die auch im Hauptsacheverfahren bestehende Prozessförderungspflicht eine erweiterte Beibringungsobliegenheit. Es ist allein Aufgabe der Parteien, in einem angesetzten Verhandlungstermin vortragen zu können und alle Mittel zur Glaubhaftmachung ihres Prozessvortrages präsent zu stellen; eine Ladung von Zeugen oder Sachverständigen durch das Gericht findet nicht statt. Eine Vertagung der mündlichen Verhandlung zum Zwecke einer Beweisaufnahme oder zur Ermöglichung weiteren Vorbringens scheidet aus, und auch die Gewährung eines Schriftsatznachlasses gemäß § 283 ZPO ist mit dieser gesetzlichen Zielvorgabe unvereinbar (Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 05. Januar 2009 - 5 U 194/07, bei juris Rz. 18; vgl. zu Besonderheiten des Verfahrens auch OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08. November 2013 - 10 U 39/13, bei juris Rz. 17).“
Zur Anwendbarkeit der wettbewerbsrechtlichen Dringlichkeitsvermutung führt das Oberlandesgericht aus:
„Der Senat hält daran fest, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG auf Unterlassungsansprüche aus dem Markenrecht analog anzuwenden ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04. Juli 2013 - 2 U 157/12, GRUR-RR 2014, 251). Nach § 12 Abs. 2 UWG wird die durch einen Verstoß kraft Gesetzes vermutete Dringlichkeit für einen Unterlassungsantrag widerlegt, wenn der Gläubiger durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass es ihm mit der Durchsetzung seines Antrages nicht eilig ist. Hauptfallgruppe der Selbstwiderlegung ist die verzögerliche Prozessführung, etwa durch Anträge auf Terminverschiebung oder Fristverlängerung oder ein unverständlich langes Zuwarten zwischen der Erkenntnis von dem Verstoß und der Antragstellung bei Gericht. Den Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Verstoß hat der Schuldner darzulegen und glaubhaft zu machen, da es ihm obliegt, die gesetzliche, durch den Verstoß begründete Vermutung zu widerlegen und nicht bloß zu erschüttern (OLG Stuttgart, Urteil vom 04. Juli 2013 - 2 U 157/12, GRUR-RR 2014, 251, bei juris Rz. 23 ff., m.w.N.); eine gesetzliche Vermutung ist insoweit stärker als ein Anscheinsbeweis und diesem nicht gleichzusetzen.
Der erkennende Senat geht diesbezüglich nicht von einer starren Frist aus. Eine solche fände im Gesetzeswortlaut auch keine Stütze. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist eine Zeitspanne von unter einem Monat - abgesehen von Fällen der besonderen Dringlichkeit, wie sie beispielsweise bei Messe- oder Marktsachen häufig gegeben sein wird - regelmäßig unschädlich, wohingegen ein Zuwarten von über acht Wochen regelmäßig die Dringlichkeitsvermutung widerlegt. Jedoch sind die Besonderheiten des Falles zu berücksichtigen.
Schädlich sind alle Zeitläufte bloßen Zuwartens, die nicht mehr mit einer beschleunigten Sachbearbeitung zum Zwecke der raschen Anspruchsdurchsetzung zu begründen sind (vgl. zum Ganzen auch Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., 2016, Rn. 3.15 ff. zu § 12 UWG, m.w.N.), so in aller Regel Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge im gerichtlichen Verfahren.


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