Oberlandesgericht Düsseldorf (I-22 U37/15) regelt wichtigen Punkt bei Unternehmenskauf oder Nachfolgeregelungen
Ein Wettbewerbsverbot des Verkäufers kann sich bei einem Unternehmenskauf bereits aus der Verschaffungspflicht des Verkäufers nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als ungeschriebene Nebenpflicht auch ohne gesonderte Vereinbarung ergeben.
Bei einem Unternehmenskauf ist zu berücksichtigen, dass im Kaufpreis regelmäßig der wirtschaftliche Wert des Wettbewerbsverbots (und zwar unter Berücksichtigung seiner konkreten - hier fünfjährigen - Dauer ab Ende der Überleitungsphase) von den Parteien einkalkuliert wurde.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten auf Grundlage einer Kundenschutzklausel
in einem Kaufvertrag über Mandatsbeziehungen einer Steuerberatungskanzlei mit
einem jährlichen Umsatz von ca. 650.000 € zum Kaufpreis von 747.500 € (115 %
des Jahresumsatzes) einen Anspruch auf Unterlassung geltend, bis 5 Jahre nach
Vertragsbeendigung für näher bezeichnete Mandanten der Klägerin steuerlich
tätig zu werden.
Die Vorinstanz verneint den Anspruch. Die Kundenschutzklausel
sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da sie - nach den Maßstäben des BGH - als
Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit zeitlich und gegenständlich das
notwendige Maß überschreite.
Das OLG Düsseldorf bejaht den Unterlassungsanspruch aus §
280 Abs. 1 BGB, denn die Kundenschutzklausel sei wirksam, insbesondere sei sie
weder gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Eine Beschränkung der wirtschaftlichen
Entscheidungsfreiheit in Gestalt eines - ohne Äquivalent - für längere Zeit
durchgesetzten Verbots, in einem Erwerbszweig tätig zu werden, ist gemäß § 138
BGB i.V.m. Art. 12 GG sittenwidrig. Ausschlaggebend für diese Wertung ist die
Beschränkung der durch Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Wettbewerbsverbote
sind nur wirksam, wenn sie durch ein schutzwürdiges Interesse des Berechtigten
gefordert werden und sich nach ihrem örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen
Umfang im Rahmen des Angemessenen halten. Sittenwidrig ist es, wenn der Betroffene
ohne angemessenen Ausgleich für längere Zeit seine wirtschaftliche
Selbständigkeit einbüßt. Bei einem aus der Gesellschaft ausscheidenden
Gesellschafter ist in der Regel eine Verbotsfrist von zwei Jahren angemessen, weil
sich die Mandantenbeziehungen nach Ablauf dieser Zeitspanne typischerweise
weitgehend gelöst haben (zuletzt BGH, EWiR 2015, 269. Bei einem zeitlichen
Übermaß ist ein Wettbewerbsverbot zu kürzen. Bei einem Unternehmenskauf sind
Wettbewerbsverbote in dem Ausmaß zulässig, das Allgemeininteresse an einem
funktionierenden Wettbewerb respektiert und den einen Vertragspartner vor der
illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den anderen
Vertragspartner schützt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein
Wettbewerbsverbot des Verkäufers bei einem Unternehmenskauf bereits aus der
kaufrechtlichen Verschaffungspflicht des Verkäufers nach Treu und Glauben (§
242 BGB) als ungeschriebene Nebenpflicht bzw. nachvertragliche Treuepflicht des
Verkäufers auch ohne gesonderte Vereinbarung ergibt, soweit die Unterlassung
von Wettbewerb zur Überleitung der Mandate erforderlich ist. Die Rspr. geht
insoweit nicht von einer Regelfrist von zwei Jahren aus, sondern berücksichtigt
jeweils die Umstände des Einzelfalles. Beim Unternehmenskauf wird der wirtschaftliche
Wert des Wettbewerbsverbots in den Kaufpreis einkalkuliert.
Das ausführlich begründete Urteil des Oberlandesgerichts
Düsseldorf überzeugt. Es stärkt die Käuferrechte beim Erwerb von Unternehmen.
Kundenschutz kann auch länger als zwei Jahre nach Übertragung des Unternehmens
gelten; eine Karenzentschädigung fällt nur ausnahmsweise an. Verfassungsrechtlich
hätten wir uns noch stärker die Diskussion der Grundrechte (Eigentumsgarantie und
allgemeine Handlungsfreiheit) gewünscht.
Beim Erwerb von Beratungsunternehmen geht es hauptsächlich
um die Übertragung der Kundenbeziehungen als wichtigstem Vermögensgegenstand
des erworbenen Unternehmens.
Der Erwerber kauft umgangssprachlich die Kunden, was vor
allem das Unterlassen von Abwerbung dieser Kunden gegenüber dem Käufer des
Unternehmens bedeutet. Nicht selten verpflichtet sich der Verkäufer, alle
bisherigen Kunden nicht mehr zu betreuen.
Manchen Veräußerer reut allerdings die Veräußerung, so dass
sie versuchen, den Kundenschutz zu umgehen. Regelmäßig wird bei natürlichen
Personen dann die wirtschaftliche Abhängigkeit oder Arbeitnehmerähnlichkeit
behauptet, was bei fehlender Karenzentschädigung analog § 74 Abs. 2 HGB zu
einer Wirkungslosigkeit des Kundenschutzes führte (BGH EWiR 2003, 971). Das OLG
Düsseldorf schränkt die Möglichkeit der Berufung auf diese Analogie stark ein,
indem es die Kaufpreiszahlung auch als Entschädigung für den Kundenschutz
ansieht. Selbst bei wirtschaftlicher Abhängigkeit des Verkäufers durch
überleitende Mitarbeit gab es also eine Art Karenzentschädigung, über deren
angemessene Höhe dann nur noch Streit bestehen kann. Bei Zahlung eines nach dem
Jahresumsatz bestimmten Kaufpreises sollten die Voraussetzungen von § 74 Abs. 2
HGB (Hälfte der Vertragsleistungen für jedes Jahr des Verbots) regelmäßig
erfüllt sein.
Auch die Dauer des Kundenschutzes sieht das OLG
Düsseldorf unkritisch: Im konkreten Fall enger Kundenbindung erlaubt es sogar
fünf Jahre. Im Zweifel muss den Erwerber eine unangemessen hohe Laufzeit nicht
interessieren, da die Rechtsprechung die Geltung durch angemessene Reduktion
der Laufzeit erhält. Die Anerkennung einer fünfjährigen Laufzeit kann
allerdings als Diktum bei enger Kundenbindung im Bereich von Dienstleistungen
höherer Art aufgrund besonderen Vertrauens wie hier der Steuerberatung gewertet
werden. Demgemäß hat ein Käufer nur im Falle eines pauschalen
Konkurrenzschutzes Gegenstand und räumliche Geltung zu beachten; auf der
sicheren Seite ist er mit einem auf einzelne Kunden definierten Kundenschutz. Zur
einfacheren Vollstreckung sollten diese Kunden namentlich benannt werden.
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