Bundesgerichtshof (I ZR 245/12) schafft Klarheit bei Regelungen zwischen konkurrierenden Unternehmen zur Abwerbung von Mitarbeitern
"Jede
Partei verpflichtet sich, während sowie bis drei Jahre nach Beendigung dieses
Vertrages keine Mitarbeiter der anderen Partei direkt oder indirekt abzuwerben.
Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung in Satz 1 zahlt die
verstoßende Partei an die andere Partei eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei
Bruttojahresgehältern (einschl. Prämien, Tantiemen) des betreffenden
Mitarbeiters, der unter Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß Satz 1 von der
betreffenden Partei abgeworben wird, wobei zur Berechnung der Vertragsstrafe
das Bruttojahresgehalt des betreffenden Mitarbeiters maßgeblich ist, das er im
Jahr vor Verwirkung der Vertragsstrafe bezogen hat."
Die Klägerin
begehrt die vereinbarte Vertragsstrafe, da nach den Feststellungen des Gerichts
die Beklagte im dritten Jahr nach Ende des Kooperationsvertrages zwei
Mitarbeiter der Klägerin abwarb.
Das
Landgericht wies die Klage ab. In der Berufungsinstanz verurteilte das
Oberlandesgericht hingegen die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe.
Nach Ansicht des BGH handelt es sich auch bei einem
Abwerbeverbot um eine Sperrabrede im Sinne des § 75f HGB. Solche Sperrabreden,
durch die sich ein Unternehmen verpflichtet, keine Arbeitnehmer eines anderen
Unternehmens einzustellen, können gerichtlich nicht durchgesetzt werden.
Zulässig ist ein Abwerbeverbot zuallererst, wenn es aus
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung herrührt, nachdem das Verhalten des
Abwerbenden unlauter war. Ansonsten darf ein Abwerbeverbot nicht Hauptzweck
einer Vereinbarung sein, sondern nur Nebenbestimmung wegen des besonderen
Vertrauensverhältnisses oder der besonderen Schutzbedürftigkeit einer der
beiden Vertragsparteien. Die Risikoprüfung vor dem Kauf von Unternehmen oder
Unternehmensbeteiligungen (Due Diligence), die Abspaltung von
Unternehmensteilen oder Vertriebsvereinbarungen sind Beispiele solcher
besonderen Vertrauensverhältnisse.
Das Abwerbeverbot darf regelmäßig nicht mehr als zwei
Jahre nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gelten. Diese Wertung findet
sich nicht zuletzt in § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB und § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB.
Diese Vorschriften bringen die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass die
in einem Wettbewerbsverbot liegende Einschränkung der Berufsfreiheit des
hierdurch gebundenen Arbeitnehmers längstens zwei Jahre gerechtfertigt ist.
Gleiches muss auch für Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern in Form von
Abwerbeverboten gelten, die für die hiervon betroffenen Arbeitnehmer
vergleichbare Auswirkungen haben können.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt endlich eine
klare und pragmatische Richtlinie für Absprachen zwischen konkurrierenden
Unternehmen zum Verbot des Abwerbens von Mitarbeitern (= „Ausspannen“). Vor
allem bei Vertriebsverträgen wie für Vertragshändler, Handelsvertreter oder
Franchise, dem Erwerb von Unternehmen („M & A“) und sonstiger Umwandlung
von Unternehmen sind Abwerbeverbote der Beteiligten mit einer Laufzeit von zwei
Jahren grundsätzlich wirksam. Die Betonung der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) zur
Begründung ist schlüssig. Die historische Erklärung (Rn. 24) lässt sich
allerdings nur schwer vermitteln. Auffällig ist die fehlende Berücksichtigung
des Kartellrechts (§ 1 GWB i.V.m. § 134 BGB) oder der allgemeinen
Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).
Die Vertragspraxis wird das jetzige Urteil dankbar umsetzen.
Bisher hatte der Bundesgerichtshof sich noch nicht zur Anwendbarkeit von § 75f
HGB auf Abwerbeverbote geäußert. Erstaunlich ist allerdings die eigene Abwägung
jenseits der Fallgruppen zum Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen
gemäß § 1 GWB. Der Bundesgerichtshof hätte zumindest von einem horizontalen
Kartell sprechen können, das den Wettbewerb unter Umständen spürbar beschränkt.
Die fehlende Fortsetzung der Rechtsprechung in diesem Gebiet kann eigentlich
nur dem Respekt des hier entscheidenden I. Senats gegenüber dem ansonsten für
Kartellrecht zuständigen Kartellsenat geschuldet sein.
Kryptisch ist die Bemerkung, es könne nicht „von dem
konkreten Formulierungsgeschick der vertragschließenden Unternehmen…“ abhängen,
ob der Anwendungsbereich des § 75f HGB eröffnet ist oder nicht (Rn. 23). Im
Rahmen der Vertragserstellung kommt es indes immer auf die richtige
Formulierung an, ob der Anwendungsbereich einer bestimmten Vorschrift eröffnet
ist.
Die Zweijahresfrist entspricht der Rechtsprechung
bei Mandantenschutzklauseln (BGH, Urteil vom 29. Januar 1996 II ZR 286/94).
Ausdrücklich offen lässt der Bundesgerichtshof die Frage, ob auch eine Laufzeit
von mehr als zwei Jahren wirksam sein kann. Für die Vertragsgestaltung sollte
eine längere Laufzeit wegen der geltungserhaltenden Reduktion indes unbedenklich
sein; bei Unwirksamkeit längerer Laufzeit gilt die Zweijahresfrist. Allgemein
wird zu den vom Bundesgerichtshof zur Begründung zitierten Vorschriften § 74a
Abs. 1 Satz 3 HGB und § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB die ersatzweise Geltung der
gesetzlichen Frist von zwei Jahren angenommen.
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