Donnerstag, 13. November 2014

Abwerbeverbot nur in besonderen Fällen für höchstens 2 Jahre

Bundesgerichtshof (I ZR 245/12) schafft Klarheit bei Regelungen zwischen konkurrierenden Unternehmen zur Abwerbung von Mitarbeitern


Die Vertragspartner waren einmal Konzerngesellschaften. Nachdem die Beteiligung an der Beklagten von einem dritten Unternehmen erworben wurde, schlossen die Parteien einen Kooperationsvertrag zum Zweck des gemeinsamen Vertriebs. In diesem Kooperationsvertrag vereinbarten sie:
"Jede Partei verpflichtet sich, während sowie bis drei Jahre nach Beendigung dieses Vertrages keine Mitarbeiter der anderen Partei direkt oder indirekt abzuwerben. Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung in Satz 1 zahlt die verstoßende Partei an die andere Partei eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttojahresgehältern (einschl. Prämien, Tantiemen) des betreffenden Mitarbeiters, der unter Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß Satz 1 von der betreffenden Partei abgeworben wird, wobei zur Berechnung der Vertragsstrafe das Bruttojahresgehalt des betreffenden Mitarbeiters maßgeblich ist, das er im Jahr vor Verwirkung der Vertragsstrafe bezogen hat."
Die Klägerin begehrt die vereinbarte Vertragsstrafe, da nach den Feststellungen des Gerichts die Beklagte im dritten Jahr nach Ende des Kooperationsvertrages zwei Mitarbeiter der Klägerin abwarb.
Das Landgericht wies die Klage ab. In der Berufungsinstanz verurteilte das Oberlandesgericht hingegen die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe.

Nach Ansicht des BGH handelt es sich auch bei einem Abwerbeverbot um eine Sperrabrede im Sinne des § 75f HGB. Solche Sperrabreden, durch die sich ein Unternehmen verpflichtet, keine Arbeitnehmer eines anderen Unternehmens einzustellen, können gerichtlich nicht durchgesetzt werden.
Zulässig ist ein Abwerbeverbot zuallererst, wenn es aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung herrührt, nachdem das Verhalten des Abwerbenden unlauter war. Ansonsten darf ein Abwerbeverbot nicht Hauptzweck einer Vereinbarung sein, sondern nur Nebenbestimmung wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses oder der besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden Vertragsparteien. Die Risikoprüfung vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen (Due Diligence), die Abspaltung von Unternehmensteilen oder Vertriebsvereinbarungen sind Beispiele solcher besonderen Vertrauensverhältnisse.
Das Abwerbeverbot darf regelmäßig nicht mehr als zwei Jahre nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gelten. Diese Wertung findet sich nicht zuletzt in § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB und § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB. Diese Vorschriften bringen die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass die in einem Wettbewerbsverbot liegende Einschränkung der Berufsfreiheit des hierdurch gebundenen Arbeitnehmers längstens zwei Jahre gerechtfertigt ist. Gleiches muss auch für Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern in Form von Abwerbeverboten gelten, die für die hiervon betroffenen Arbeitnehmer vergleichbare Auswirkungen haben können.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt endlich eine klare und pragmatische Richtlinie für Absprachen zwischen konkurrierenden Unternehmen zum Verbot des Abwerbens von Mitarbeitern (= „Ausspannen“). Vor allem bei Vertriebsverträgen wie für Vertragshändler, Handelsvertreter oder Franchise, dem Erwerb von Unternehmen („M & A“) und sonstiger Umwandlung von Unternehmen sind Abwerbeverbote der Beteiligten mit einer Laufzeit von zwei Jahren grundsätzlich wirksam. Die Betonung der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) zur Begründung ist schlüssig. Die historische Erklärung (Rn. 24) lässt sich allerdings nur schwer vermitteln. Auffällig ist die fehlende Berücksichtigung des Kartellrechts (§ 1 GWB i.V.m. § 134 BGB) oder der allgemeinen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).
Die Vertragspraxis wird das jetzige Urteil dankbar umsetzen. Bisher hatte der Bundesgerichtshof sich noch nicht zur Anwendbarkeit von § 75f HGB auf Abwerbeverbote geäußert. Erstaunlich ist allerdings die eigene Abwägung jenseits der Fallgruppen zum Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß § 1 GWB. Der Bundesgerichtshof hätte zumindest von einem horizontalen Kartell sprechen können, das den Wettbewerb unter Umständen spürbar beschränkt. Die fehlende Fortsetzung der Rechtsprechung in diesem Gebiet kann eigentlich nur dem Respekt des hier entscheidenden I. Senats gegenüber dem ansonsten für Kartellrecht zuständigen Kartellsenat geschuldet sein.
Kryptisch ist die Bemerkung, es könne nicht „von dem konkreten Formulierungsgeschick der vertragschließenden Unternehmen…“ abhängen, ob der Anwendungsbereich des § 75f HGB eröffnet ist oder nicht (Rn. 23). Im Rahmen der Vertragserstellung kommt es indes immer auf die richtige Formulierung an, ob der Anwendungsbereich einer bestimmten Vorschrift eröffnet ist.
Die Zweijahresfrist entspricht der Rechtsprechung bei Mandantenschutzklauseln (BGH, Urteil vom 29. Januar 1996 II ZR 286/94). Ausdrücklich offen lässt der Bundesgerichtshof die Frage, ob auch eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren wirksam sein kann. Für die Vertragsgestaltung sollte eine längere Laufzeit wegen der geltungserhaltenden Reduktion indes unbedenklich sein; bei Unwirksamkeit längerer Laufzeit gilt die Zweijahresfrist. Allgemein wird zu den vom Bundesgerichtshof zur Begründung zitierten Vorschriften § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB und § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB die ersatzweise Geltung der gesetzlichen Frist von zwei Jahren angenommen.

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