Donnerstag, 13. November 2014

Abwerbeverbot nur in besonderen Fällen für höchstens 2 Jahre

Bundesgerichtshof (I ZR 245/12) schafft Klarheit bei Regelungen zwischen konkurrierenden Unternehmen zur Abwerbung von Mitarbeitern


Die Vertragspartner waren einmal Konzerngesellschaften. Nachdem die Beteiligung an der Beklagten von einem dritten Unternehmen erworben wurde, schlossen die Parteien einen Kooperationsvertrag zum Zweck des gemeinsamen Vertriebs. In diesem Kooperationsvertrag vereinbarten sie:
"Jede Partei verpflichtet sich, während sowie bis drei Jahre nach Beendigung dieses Vertrages keine Mitarbeiter der anderen Partei direkt oder indirekt abzuwerben. Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung in Satz 1 zahlt die verstoßende Partei an die andere Partei eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttojahresgehältern (einschl. Prämien, Tantiemen) des betreffenden Mitarbeiters, der unter Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß Satz 1 von der betreffenden Partei abgeworben wird, wobei zur Berechnung der Vertragsstrafe das Bruttojahresgehalt des betreffenden Mitarbeiters maßgeblich ist, das er im Jahr vor Verwirkung der Vertragsstrafe bezogen hat."
Die Klägerin begehrt die vereinbarte Vertragsstrafe, da nach den Feststellungen des Gerichts die Beklagte im dritten Jahr nach Ende des Kooperationsvertrages zwei Mitarbeiter der Klägerin abwarb.
Das Landgericht wies die Klage ab. In der Berufungsinstanz verurteilte das Oberlandesgericht hingegen die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe.

Nach Ansicht des BGH handelt es sich auch bei einem Abwerbeverbot um eine Sperrabrede im Sinne des § 75f HGB. Solche Sperrabreden, durch die sich ein Unternehmen verpflichtet, keine Arbeitnehmer eines anderen Unternehmens einzustellen, können gerichtlich nicht durchgesetzt werden.
Zulässig ist ein Abwerbeverbot zuallererst, wenn es aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung herrührt, nachdem das Verhalten des Abwerbenden unlauter war. Ansonsten darf ein Abwerbeverbot nicht Hauptzweck einer Vereinbarung sein, sondern nur Nebenbestimmung wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses oder der besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden Vertragsparteien. Die Risikoprüfung vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen (Due Diligence), die Abspaltung von Unternehmensteilen oder Vertriebsvereinbarungen sind Beispiele solcher besonderen Vertrauensverhältnisse.
Das Abwerbeverbot darf regelmäßig nicht mehr als zwei Jahre nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gelten. Diese Wertung findet sich nicht zuletzt in § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB und § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB. Diese Vorschriften bringen die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass die in einem Wettbewerbsverbot liegende Einschränkung der Berufsfreiheit des hierdurch gebundenen Arbeitnehmers längstens zwei Jahre gerechtfertigt ist. Gleiches muss auch für Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern in Form von Abwerbeverboten gelten, die für die hiervon betroffenen Arbeitnehmer vergleichbare Auswirkungen haben können.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt endlich eine klare und pragmatische Richtlinie für Absprachen zwischen konkurrierenden Unternehmen zum Verbot des Abwerbens von Mitarbeitern (= „Ausspannen“). Vor allem bei Vertriebsverträgen wie für Vertragshändler, Handelsvertreter oder Franchise, dem Erwerb von Unternehmen („M & A“) und sonstiger Umwandlung von Unternehmen sind Abwerbeverbote der Beteiligten mit einer Laufzeit von zwei Jahren grundsätzlich wirksam. Die Betonung der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) zur Begründung ist schlüssig. Die historische Erklärung (Rn. 24) lässt sich allerdings nur schwer vermitteln. Auffällig ist die fehlende Berücksichtigung des Kartellrechts (§ 1 GWB i.V.m. § 134 BGB) oder der allgemeinen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB).
Die Vertragspraxis wird das jetzige Urteil dankbar umsetzen. Bisher hatte der Bundesgerichtshof sich noch nicht zur Anwendbarkeit von § 75f HGB auf Abwerbeverbote geäußert. Erstaunlich ist allerdings die eigene Abwägung jenseits der Fallgruppen zum Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß § 1 GWB. Der Bundesgerichtshof hätte zumindest von einem horizontalen Kartell sprechen können, das den Wettbewerb unter Umständen spürbar beschränkt. Die fehlende Fortsetzung der Rechtsprechung in diesem Gebiet kann eigentlich nur dem Respekt des hier entscheidenden I. Senats gegenüber dem ansonsten für Kartellrecht zuständigen Kartellsenat geschuldet sein.
Kryptisch ist die Bemerkung, es könne nicht „von dem konkreten Formulierungsgeschick der vertragschließenden Unternehmen…“ abhängen, ob der Anwendungsbereich des § 75f HGB eröffnet ist oder nicht (Rn. 23). Im Rahmen der Vertragserstellung kommt es indes immer auf die richtige Formulierung an, ob der Anwendungsbereich einer bestimmten Vorschrift eröffnet ist.
Die Zweijahresfrist entspricht der Rechtsprechung bei Mandantenschutzklauseln (BGH, Urteil vom 29. Januar 1996 II ZR 286/94). Ausdrücklich offen lässt der Bundesgerichtshof die Frage, ob auch eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren wirksam sein kann. Für die Vertragsgestaltung sollte eine längere Laufzeit wegen der geltungserhaltenden Reduktion indes unbedenklich sein; bei Unwirksamkeit längerer Laufzeit gilt die Zweijahresfrist. Allgemein wird zu den vom Bundesgerichtshof zur Begründung zitierten Vorschriften § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB und § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB die ersatzweise Geltung der gesetzlichen Frist von zwei Jahren angenommen.

Montag, 7. April 2014

Gesellschafterstreit in der Zwei-Mann-GmbH effektiv nur im einstweiligen Verfügungsverfahren möglich

Landgericht Stuttgart (38 O 4/14 KfH) festigt Rechtsprechung zur Feststellungsbedürftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen

Zwei Gründer haben eine hervorragende Geschäftsidee, mit der sie viel Geld verdienen wollen. Leider haben Sie keine gute Vorstellung von einer funktionierenden Gesellschaft. Sie gründen eine GmbH – wegen der Haftung –, an der beide hälftig mit 50 % beteiligt sind und beide als Geschäftsführer einzelvertretungsberechtigt für die GmbH auftreten. Das Desaster ist programmiert. Die Geschäftsidee floriert. Das Unternehmen wächst hektisch. Es kommt zu Reibereien. Irgendwann wird es einem Gründer zu bunt. Er will die Gesellschaft für sich allein und versucht den anderen, aus der Gesellschaft zu werfen. Durch das Aufblähen von Kleinigkeiten wird ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gezimmert. Dann muss nur geringe Abfindung gezahlt werden. Es folgen hitzige Gesellschafterversammlungen, bei denen die Gesellschafter versuchen, den jeweils anderen als Geschäftsführer abzuberufen und als Gesellschafter auszuschließen.

In der Rechtsprechung gibt es grundsätzlich drei verschiedene Verfahren, um diesem „Wettlauf der Abberufungen“ Herr zu werden. Sie sind gekennzeichnet von unterschiedlichem Respekt gegenüber der Autonomie der Gesellschaft. Nach der strengsten Ansicht muss der abberufene/ausgeschlossene Gesellschaftergeschäftsführer innerhalb Monatsfrist analog §§ 84 Abs. 3 S. 4, 246 Abs. 1 AktG einen solchen Beschluss der Gesellschafterversammlung gerichtlich anfechten. Wird er nicht tätig, ist ein solcher, in der Regel zweifelhafter Beschluss grundsätzlich wirksam. Eine vermittelnde Ansicht verlangt zumindest eine aktienrechtlich ordnungsgemäße Feststellung des Beschlusses durch einen Versammlungsleiter. So soll über die Form ein Mindestmaß materieller Richtigkeit sichergestellt werden. Das Landgericht Stuttgart hält demgegenüber mit dem Oberlandesgericht Stuttgart (20 W 11/97) Beschlüsse in zweigliedrigen GmbHs grundsätzlich für feststellungsbedürftig. Nur so könne das materielle Recht gewahrt werden. Kehrseite dieser Rechtsprechung ist allerdings, dass bis zu einer regelmäßig sehr späten Feststellung die bisherige Organisation der Gesellschaft für ein einstweiliges Verfügungsverfahren erhalten bleibt. Im Falle des Satzungsverstoßes durch einen Gesellschafter kann also der andere Gesellschafter diese Pflichtwidrigkeit als Geschäftsführer für die Gesellschaft verfolgen. Vor allem ein Wettbewerbsverstoß durch Umgehung der Gesellschaft, Abwerben von Kunden oder Durchführung von für die Gesellschaft akquirierten Geschäften ist auch durch einen Gesellschaftergeschäftsführer möglich, der unter Umständen schon mehrfach vom anderen Gesellschafter als Geschäftsführer abberufen wurde.

In der Praxis scheint nur diese Rechtsprechung angemessen. Die strenge Ansicht der Anfechtungsbedürftigkeit kann bei einer Kaskade von Beschlüssen dazu führen, dass vom angegriffenen Gesellschafter ein Beschluss übersehen wird, weil er ihm z.B. nicht zugestellt worden ist. Bei der vermittelnden Ansicht ist die Frage der richtigen Beschlussfeststellung nur schwierig zu beantworten. Gerade bei Zweipersonen-Gesellschaften kann eine solche Vorgehensweise pure Förmelei sein. Nur wenn klar ist, dass erst nach gerichtlicher Feststellung der Beschluss einer solchen Gesellschafterversammlung wirksam wird, kann sich zumindest pro forma die Gesellschaft gegen Wettbewerbsverstöße im einstweiligen Verfügungsverfahren bis auf weiteres verteidigen.

Mittwoch, 11. September 2013

Pauschaler Ausschluss der Mängelhaftung für Gebrauchtware in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam

Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil vom 29. Mai 2013 (BGH VIII ZR 174/12) seine deutliche Linie zur Unwirksamkeit eines pauschalen Haftungsausschlusses in Allgemeinen Geschäftsbedingungen fort.

Die Kläger, Eheleute, kauften einen gebrauchten Geländewagen mit Flüssiggasantrieb. In den Geschäftsbedingungen der Beklagten hieß es: „Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.“ Diese Beschränkung der Haftung sollte bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit nicht gelten.
Das Fahrzeug wurde den Klägern am 2006 übergeben. An der Gasanlage traten in der Folgezeit Funktionsstörungen auf, die auf einem fehlerhaften Einbau der Flüssiggasanlage beruhten. Die Kläger mahnten die Mängel 2008 an. Mit anschließender Klage begehren die Kläger Mängelbeseitigung. Die Beklagte hat sich vor allem auf die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen berufen.
Die ausnahmslose Abkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist unwirksam, weil sie gegen die Klauselverbote in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB verstößt. Gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB beträgt die gesetzliche Verjährungsfrist für Mängelhaftung bei Kaufvertrag zwei Jahre. Nach den Klauselverboten in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Eine Begrenzung der Haftung im Sinne des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB ist auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen.
Hiergegen verstößt die Abkürzung der Verjährungsfrist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, da auch Schadensersatzansprüche des Käufers umfasst werden, die auf Ersatz eines Körper- oder Gesundheitsschadens wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Mangels gerichtet oder auf grobes Verschulden des Verkäufers oder seiner Erfüllungsgehilfen gestützt sind.
Die allgemeine Einschränkung des Haftungsausschlusses für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB (kundenfeindlichste Auslegung) so auszulegen, dass von einer gegenständlichen Haftungsbeschränkung, nicht dagegen von der zeitlichen Haftungsbegrenzung auszugehen ist.
Der Bundesgerichtshof verweist auf sein Urteil vom 19. September 2007 (BGH VIII ZR 141/06), mit dem er diesen Haftungsausschluss ausdrücklich sowohl im unternehmerischen Verkehr als auch bei Gebrauchtwaren für unwirksam erklärte. Über diese Rechtsprechung lässt sich vortrefflich streiten. Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Rechtsprechung offensichtlich die Regel der Nichtanwendbarkeit der Klauselverbote in §§ 308 - 309 gegenüber einem Unternehmer gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 durch extensive Auslegung von § 310 Abs. 1 S. 2 BGB in ihr Gegenteil verkehrt. Letztendlich ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dieser Frage aber deutlich, auch wenn in der jüngsten Vergangenheit Hoffnung auf eine liberalere Rechtsprechung aufkeimte.
Diese Rechtsprechung scheint auch heutzutage noch nahezu unbekannt zu sein, so dass die Entscheidung samt erneutem Verweis des Bundesgerichtshofs hierauf zu begrüßen ist. Mit dem Brustton der Überzeugung wird immer noch vor und von unterinstanzlichen Gerichten behauptet, dass doch unter Unternehmern der pauschale Haftungsausschluss für Gebrauchtware üblich und zulässig sei. Aber auch im Hinblick auf den nichtunternehmerischen Verkehr schafft diese Entscheidung Klarheit.

Montag, 11. März 2013

Gläubiger können auch durch einen Nießbrauch des Schuldners am eigenen Grundstück benachteiligt werden


Landgericht Ulm lässt Anfechtung zu


Der Schuldner wollte die Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil gegen sich vereiteln. Sein einziger Vermögensgegenstand war ein Grundstück. An diesem Grundstück ließ sich der Schuldner noch während des Gerichtsprozesses einen Nießbrauch eintragen. Mit diesem Nießbrauch wäre eine Zwangsvollstreckung quasi unmöglich geworden. Er bliebe im geringsten Gebot einer Zwangsversteigerung bestehen und könnte nur zur Ausübung gepfändet werden. Da der Schuldner die Immobilie selbst bewohnte, war auch hier kein wirtschaftlich sinnvolles Ergebnis zu erwarten.

Die Bestellung dinglicher Rechte wie dem Nießbrauch am eigenen Grundstück ist nach dem Landgericht Ulm (Urteil vom 30.11.2012, 2 O 137/12) unmittelbar nach § 3 Abs. 1 Anfechtungsgesetz anfechtbar. Das Landgericht Ulm folgt insoweit dem Bundesfinanzhof (Urteil vom 30.3.2010, VII R 22/09). Der Wortlaut der Norm, wonach eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung anfechtbar ist, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, beschränkt ihre Anwendbarkeit nicht auf den Fall der Fremdbegünstigung. Vielmehr erschöpft sich die Bedeutung des "Wenn"-Satzes darin, den gutgläubigen Erwerber in Fällen der Fremdbegünstigung vor einer Anfechtung zu schützen. Im Fall der Selbstbestellung eines Teilrechts am eigenen Grundstück geht der Konditionalsatz ins Leere. Die Gläubigerbenachteiligung besteht darin, dass sich schon allein durch die Bestellung einer Grundstücksbelastung am eigenen Grundstück die Zugriffslage für die Gläubiger --unabhängig von einer sich daran anschließenden Übertragung des Grundeigentums-- verschlechtern kann. Denn im Fall einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück bleibt dieses im Rang vor dem Anfechtungsgläubiger stehende Teilrecht bestehen. Im Streitfall liegen solche Verschlechterungen der Zugriffslage für die Gläubiger vor. Der an den Grundstücken bestellte Nießbrauch kann zwar grundsätzlich Gegenstand der Pfändung sein; allerdings, wie sich aus § 857 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 1059 BGB ergibt, ist er der Pfändung nur insoweit unterworfen, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Wegen seiner Unveräußerlichkeit, die auch in der Zwangsvollstreckung Bestand hat, darf der Pfändungspfandgläubiger den Nießbrauch nicht zu seiner Befriedigung verwerten, sondern ihn nur zu diesem Zweck ausüben. Dies schließt eine Überweisung des Stammrechts selbst zur Einziehung oder an Zahlungs statt nach § 857 Abs. 1, § 835 Abs. 1 ZPO ebenso aus wie eine anderweitige Verwertung durch Versteigerung oder freien Verkauf.

Dem Gläubiger, der ins Leere gehen sollte, wurde geholfen. Der Nießbrauch wurde für anfechtbar erklärt und ist deshalb bei einer Zwangsversteigerung nicht zu beachten. Merke: Das Anfechtungsrecht macht das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen nahezu unmöglich.


Die Sozietät Pottgiesser & Partner berät mittelständische Unternehmen und Familienunternehmer. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich des Wirtschaftsrechts, Erbrechts und internationalen Rechts. Die Kanzlei wurde 1999 gegründet; ihre Partner wurden teilweise im Ausland ausgebildet und sind als Fachanwälte zugelassen.
Weitere Informationen unter www.pottgiesser.de.
Kontakt:
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser, Tel.: 0711/3511678, Fax: 0711/3511679 E-Mail: c.pottgiesser@pottgiesser.de, Gayernweg 17-2, 73733 Esslingen


Montag, 2. Juli 2012

Kennzeichenstreitsache selbst dann, wenn der Kläger sich auf § 5 Abs. 2 UWG stützt


Landgericht Aschaffenburg bestätigt die Konzentration von Kennzeichenstreitsachen in Nordbayern beim Landgericht Nürnberg-Fürth

Mit der Ergänzung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) durch den Zusatz in § 5: „Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft.“ hatte sich die Vorrangthese des Bundesgerichtshofs (seit BGHZ 138, 349 - MAC Dog) nahezu erledigt. Nach dieser These war ein Fall ausschließlich nach dem Markengesetz zu beurteilen, wenn es um eine Marke ging. Mit der obigen Übernahme des Regelungsinhaltes der europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG, „UGP-Richtlinie“) kann eine diesbezügliche Markenverletzung auch ausschließlich auf § 5 Abs. 2 UWG gestützt werden.
Was bedeutet das allerdings für die konzentrierte Zuständigkeit einzelner Landgerichte in den Bundesländern bei Kennzeichenstreitsachen gemäß § 140 Markengesetz? Nach Ansicht des Landgerichts Aschaffenburg (2HK O 73/11) sind auch Klagen, die ausschließlich auf § 5 Abs. 2 UWG geschützt werden, vor dem nach § 140 Markengesetz zuständigen Landgericht zu verhandeln, in Bayern beispielsweise also ausschließlich vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth oder dem Landgericht München. Die fachliche Kompetenz dieses Gerichts soll auch für Kennzeichenstreitigkeiten nach dem UWG genutzt werden. Das macht Sinn, ist aber auch dadurch begründet, dass auch Streitigkeiten nach § 5 Abs. 2 UWG letztendlich auf dem Markengesetz basieren, nämlich der Entscheidung, ob überhaupt eine Marke entstanden und verletzt wurde.
Die Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg, die vom Oberlandesgericht Bamberg in der Berufungsverhandlung insoweit ausdrücklich als richtig erachtet wurde, ist zu begrüßen: Sie verhindert Entscheidungen durch mit Markensachen nicht vertrauten Landgerichten. Der schon jetzt nicht gerade starken Einheitlichkeit der Rechtsprechung im gewerblichen Rechtsschutz ist damit gedient.
Auffällig ist die Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg noch im Hinblick auf die Zurückweisung eines Antrags auf einstweilige Verfügung bei Unzuständigkeit. Sie stützt die nicht besonders verbreitete Meinung von Teplitzky Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren Kapitel 55 Rn. 28 Fußn. 60 m.w.N.; Pastor/Ahrens/Bähr Wettbewerbsprozess Kapitel 56 Rn. 24. Der grundrechtlich geschützte Anspruch des Verfügungsbeklagten auf den gesetzlichen Richter und rechtliches Gehör (Art. 101 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 1 GG) würde unzumutbar beschnitten, dürfte der Rechtsstreit noch an das zuständige Gericht verwiesen werden. Der Verfügungsbeklagte bliebe bis zur Entscheidung des zuständigen Gerichts an ein Verbot gebunden, das mangels Zuständigkeit des erkennenden Gerichts nicht ergehen durfte. Bei gewöhnlichen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz mag das noch angehen. Angesichts der Bedeutung von Zuständigkeitsfragen in Wettbewerbsprozessen darf dieser Mangel bei Erlass der Beschlussverfügung nicht bagatellisiert werden. Die fehlende Möglichkeit der Revision zum Bundesgerichtshof gibt dem Gerichtsstand und der damit verbundenen einschlägigen Rechtsprechung des zuständigen Oberlandesgerichts entscheidende Bedeutung. Bekanntlich variiert die Rechtsprechung zwischen den verschiedenen Oberlandesgerichten erheblich.

Montag, 23. April 2012

Anwartschaftsrecht des Erwerbers eines Geschäftsanteils einer GmbH ist geschützt


Bundesgerichtshof erteilt modifizierten Gesellschafterlisten („Zwei-Listen-Modell“) eine Absage

Seit der Modernisierung des GmbH-Rechts ist der gutgläubige Erwerb eines Geschäftsanteils an einer GmbH mit gewissen Einschränkungen möglich. Zwar gilt § 16 Abs. 3 GmbHG wegen seines umständlichen Wortlauts mit geschachteltem Grundsatz/Ausnahme-Verhältnis allgemein als verunglückt, doch kann ein Erwerber bei widerspruchsloser Aufnahme eines Gesellschafters in der Gesellschafterliste über zumindest 3 Jahre den Geschäftsanteil regelmäßig gutgläubig erwerben.
Im Falle einer erst in der Zukunft wirksamen Abtretung haben verschiedene Notare diese Abtretung bereits in der Gesellschafterliste vermerkt („Zwei-Listen-Modell“). Dahinter stand das Bestreben, dem Ersterwerber nach einer aufschiebend bedingten Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils ein Mittel gegen einen gutgläubigen Erwerb dieses Anteils bei erneuter Abtretung durch den Veräußerer (Zweiterwerb) an die Hand zu geben. Der gutgläubige Erwerb vom Noch-Gesellschafter sollte so unterbunden werden.
Der Bundesgerichtshof verwirft diese Gesellschafterlisten in seiner Entscheidung (II ZB 17/10) vom 20. September 2011. Das Anwartschaftsrecht des Ersterwerbers sei stärker geschützt als sein Vollrecht, weil die Gesellschafterliste über § 161 Abs. 3 BGB den durch § 161 Abs. 1 BGB vermittelten Schutz bei aufschiebend bedingten Verfügungen nicht relativiere. Ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil könne nicht nach § 161 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs richtig. So werden Gesellschafterlisten einfach und praktikabel gehalten. § 161 Abs. 1 BGB, der die Unwirksamkeit von Verfügungen über Forderungen bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung festgelegt, wird gestärkt. Ein Bedürfnis für eine weitere Komplikation des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen, nämlich die modifizierte Gesellschafterliste („Zwei-Listen-Modell“) besteht deshalb nicht.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Aufstellungsbeschluss macht Baugrundstück mangelhaft - Oberlandesgericht Stuttgart lässt Verkäufer für alle aufgrund eines Aufstellungsbeschlusses erlassenen Baubeschränkungen haften

Eine alltägliche Situation: Ein Grundstück, für das ein gültiger Bebauungsplan besteht, soll verkauft werden. Der potentielle Käufer (Bauträgergesellschaft) hat nur ein Interesse an einem Baugrundstück. Alle Beteiligten suchen die Baurechtsbehörde auf und prüfen den Bebauungsplan. Aufgrund der möglichen Bebauung wird der Kaufpreis festgesetzt. Etwaige Risiken scheint es nicht zu geben. Trotzdem wird die Bauplatzeigenschaft zugesichert. Nach Erwerb des Grundstücks reicht der Käufer seinen dem Bebauungsplan entsprechende Bauantrag ein. Die Gemeinde sieht die Nutzung der bestehenden Bebauung gefährdet und stellt den Bauantrag zurück, erlässt schließlich Veränderungssperre und einen abweichenden Bebauungsplan, der eine wirtschaftliche Bebauung unmöglich macht. Grundlage ist ein mehr als 15 Jahre alter Aufstellungsbeschluss der Gemeinde, den weder die Gemeinde, noch Käufer oder Verkäufer kannten. Alle sind verärgert. Wer muss für die nun fehlende Bebaubarkeit des Grundstücks haften?
Zwar verneint das Oberlandesgericht Stuttgart in seiner Entscheidung vom 10. Januar 2012 (12 U 94/10) eine Garantie der Bauplatzeigenschaft, da allen Beteiligten klar gewesen sein musste, dass der Verkäufer nicht verschuldensunabhängig für die Bebaubarkeit einstehen wollte, doch bejaht es eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung. Bauplatzeigenschaft schließt also das Fehlen eines Aufstellungsbeschlusses der Gemeinde ein. Das klingt schlüssig. Mit einem Aufstellungsbeschluss kann die Gemeinde die Bebaubarkeit eines Grundstücks grundlegend ändern. Dieses Risiko fällt in die Sphäre des Verkäufers, wenn es um ein Baugrundstück geht. Die Möglichkeit eines späteren Aufstellungsbeschluss ändert daran nichts. Diese alternative Kausalität ändert nichts an der Kausalität des vor Abschluss des Kaufvertrages schon erlassenen Aufstellungsbeschluss für die nachfolgende Beschränkung der Bebaubarkeit.
Das Urteil ist rechtskräftig. Das Oberlandesgericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, doch wollte der Verkäufer den Rechtsstreit nicht weiter verfolgen.