Freitag, 3. Mai 2019

Vorlagebeschluss des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs (KZR 66/17 vom 11.12.2018) zum Europäischen Gerichtshof zum Umfang des deliktischen Gerichtsstands nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO


Das Kollisionsrecht wurde in Europa nicht zuletzt durch die Rom II VO vereinheitlicht. Dort wird in Art. 6 ausdrücklich das anwendbare Recht bei der unlauterem Wettbewerb und den freien Wettbewerb einschränkendem Verhalten geregelt. Anders, nämlich ungenauer ist die Situation im internationalen Zivilprozessrecht, also vor allem nach der Brüssel Ia-VO. Hier kollidieren die Zuständigkeit in Art. 7 Nr. 1 bei vertraglichen Regelungen mit der Zuständigkeit bei deliktischen Regelungen in eben Art. 7 Nr. 2. In seiner letzten Entscheidung hatte der EuGH dem Gerichtsstand gemäß vertragliche Regelung in Art. 7 Nr. 1 den Vorzug gegeben: ,,…, wenn eine Auslegung des Vertrages unerlässlich erscheint, um zu klären, ob ein streitgegenständliches Verhalten rechtmäßig oder widerrechtlich ist.“ (EuGH, 13.03.2014 - C-548/12             -Brogsitter). Im Kartellrecht spielen fast immer vertragliche Regelungen unter den Parteien eine Rolle, sodass hier der deliktische Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 oft leerliefe. Insoweit fragt sich, ob die kartellrechtliche Frage nicht nach dem Recht am Gerichtsstand beurteilt werden sollte.
Der Bundesgerichtshof legt vor folgende Frage:
„Ist Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. Nr. L 351 vom 20. Dezember 2012) dahin auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung für eine auf Unterlassung bestimmter Verhaltensweisen gerichtete Klage eröffnet ist, wenn in Betracht kommt, dass das beanstandete Verhalten durch vertragliche Regelungen gedeckt ist, der Kläger aber geltend macht, dass diese Regelungen auf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung des Beklagten beruhen?“
Wir dürfen gespannt sein, was der Europäische Gerichtshof antworten wird.

Umwandlungen von Gesellschaften über die Grenze hinweg

Bisher war nur die Verschmelzung von Gesellschaften mit Richtlinie 2005/56/EG, in Deutschland umgesetzt in §§ 122a ff. UmwG Europa einheitlich geregelt. Bei anderen Umwandlungen wie Spaltung oder Formwechsel galt es, unter Berufung auf die vom EuGH garantierte Freizügigkeit („SEVIC, VALE, POLPUD“) analog vorzugehen. Rechtssicherheit sieht anders aus.
Die Umwandlung, Spaltung und Verschmelzung von Gesellschaften soll zukünftig innerhalb der EU leichter möglich sein. Dazu konnten der Rat und das Parlament zum Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften COM(2018) 241 am 13. März 2019 eine vorläufige Einigung erzielen. Konfliktpunkte bestanden zuletzt hinsichtlich der genauen Ausgestaltung von Schutzvorschriften für Gesellschafter, Gläubiger und Beschäftigte. Die Rechte der Letzteren wurden nun gestärkt; insbesondere sieht der Kompromiss bessere Informations- und Beteiligungsrechte für die Beschäftigten vor. Im Vergleich zur derzeitigen Situation mit uneinheitlichen Vorschriften und mangelnder Rechtssicherheit wird dies den Schutz der Beteiligten erheblich verbessern.
Auch am Konzept der „künstlichen Gestaltungen“ soll festgehalten werden. Über den zweiten zum Gesellschaftsrechtspaket gehörenden Richtlinienvorschlag zum Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht COM(2018) 239 einigten sich Rat und Parlament bereits am 4. Februar 2019. Im April wird wohl über beide Richtlinienvorschläge zusammen im Plenum des EU-Parlaments abgestimmt. Danach muss auch der Rat die Einigung noch formell bestätigen.