Mittwoch, 21. September 2022

Internationale Zuständigkeit beim Geschäftsgeheimnisschutzgesetz - OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.3.2022 – 6 W 15/22

 Die örtliche Zuständigkeit und damit die Frage, ob eine internationale Zuständigkeit begründet ist, richtet sich in einem solchen Fall von Klagen vor den ordentlichen Gerichten, durch die Ansprüche nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 1 GeschGehG), daher nach § 15 Abs. 2 GeschGehG. Im – hier nicht gegebenen – Regelfall ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GeschGehG das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hat der Beklagte – wie hier die Antragsgegner – im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Das Landgericht ist zutreffend und in Einklang mit der Ansicht der Antragstellerin davon ausgegangen, dass Art. 7 Brüssel Ia-VO die Zuständigkeit hier nicht begründen kann, weil die Antragsgegner ihren (Wohn-)Sitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben.“

§ 15 Abs. 2 S. 2 GeschGehG:
„Hat der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist.“
Art. 7 Brüssel Ia-VO:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden…“
Gründe (vereinfacht):
I. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegner wegen behaupteter Rechtsverletzungen im Sinn von § 6 GeschGehG.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht:
Die Antragstellerin ist im Bezirk des angerufenen Gerichts ansässig. Der in den Vereinigten Staaten von Amerika wohnhafte Antragsgegner zu 1 sei der Chief Executive Officer der ebenfalls dort ansässigen Antragsgegnerin zu 2. Er habe Dateien, die Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin enthielten, von seinem beruflichen E-Mail-Account bei der Antragstellerin an einen privaten E-Mail-Account versandt sowie auf private Datenträger wie die beschlagnahmte Festplatte und den USB-Stick gespeichert, ohne hierzu berechtigt zu sein.
Der Antragsgegner zu 1 habe daher die Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin gemäß § 4 Abs. 3 GeschGehG verletzt.
Das Landgericht hat den am 21. Februar 2022 eingereichten Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei gemäß § 937 Abs. 1 ZPO örtlich und damit auch international nicht zuständig. Insbesondere begründe der Sitz der Antragstellerin im hiesigen Zuständigkeitsbereich keinen Erfolgsort bzw. Begehungsort im Sinn von § 15 Abs. 2. Satz 2 GeschGehG. Ein Erfolgsort des Erlangens, Nutzens oder Offenlegens von Geschäftsgeheimnissen sei allenfalls dort anzunehmen, wo die Geschäftsgeheimnisse aufgerufen und zur Kenntnis genommen werden. Dass solches im hiesigen Bezirk erfolgt sei oder auch nur konkret drohen würde, sei nicht erkennbar. Auf einen Erfolg im Sinn eines Schadenseintritts oder einer Rechtsgutsbeeinträchtigung komme es nach den hier einschlägigen Normen nicht an.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat mit Recht seine Zuständigkeit nach § 937 Abs. 1 ZPO verneint, weil es für die Hauptsache nicht zuständig wäre.
Das Landgericht ist zutreffend und in Einklang mit der Ansicht der Antragstellerin davon ausgegangen, dass Art. 7 Brüssel Ia-VO die Zuständigkeit hier nicht begründen kann, weil die Antragsgegner ihren (Wohn-)Sitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben. Die örtliche Zuständigkeit und damit die Frage, ob eine internationale Zuständigkeit begründet ist, richtet sich in einem solchen Fall von Klagen vor den ordentlichen Gerichten, durch die Ansprüche nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 1 GeschGehG), daher nach § 15 Abs. 2 GeschGehG. Im – hier nicht gegebenen – Regelfall ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GeschGehG das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hat der Beklagte – wie hier die Antragsgegner – im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, ist nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Das Landgericht ist nicht der Ansicht der Antragstellerin entgegengetreten, wonach damit sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort bezeichnet sind, was mit der insoweit einhelligen Ansicht übereinstimmt (vgl. nur Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., GeschGehG § 15 Rn. 27). Gegen die zutreffende Beurteilung des Landgerichts, dass sich hier kein Handlungsort in dessen Bezirk feststellen lässt, wendet sich die Beschwerde, die auch keinen anderen inländischen Handlungsort vorträgt, nicht. Sie beanstandet ausschließlich, dass das Landgericht sodann auch den allein noch zur Begründung der Zuständigkeit in Betracht kommenden Erfolgsort nicht in seinem Bezirk erkannt hat. Damit hat sie keinen Erfolg.
Wie bei der insoweit übereinstimmend formulierten Regelung in § 32 ZPO ist ein Ort des Schadenseintritts Begehungsort nur, wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört, wie etwa bei einer deliktischen Haftung nach § 826 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, die den Eintritt eines Vermögensschadens erfordern (vgl. nur Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 32 ZPO, Rn. 19 mit umfangreichen Nachweisen; Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. § 14 Rn. 16). Eine „Rechtsverletzung“ im Sinn von § 6 UWG (siehe auch die Definition des Begriffs „Rechtsverletzer“ in § 2 Nr. 3 GeschGehG) liegt indes bereits bei einer Zuwiderhandlung gegen eines der in § 4 UWG normierten Handlungsverbote vor. Die Zuwiderhandlung setzt tatbestandsmäßig einen der dort genannten Erfolge voraus, der indes nicht etwa in einer „Verletzung“ des Geschäftsgeheimnisses im Sinn einer bei dessen Inhaber spürbaren Beeinträchtigung desselben, sondern unabhängig von der Wirkung auf den Inhaber bereits in der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses liegt. Ein Bezug zum Inhaber des Geschäftsgeheimnisses besteht dabei lediglich insoweit, als ein Geschäftsgeheimnis als taugliches Tatobjekts denknotwendig bei einer bestimmten Person entstanden sein muss, was insbesondere nach § 2 Nr. 1 Buchst. b GeschGehG Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber voraussetzt. Die (rechtmäßige) Schaffung des Tatobjekts durch den Inhaber ist freilich nicht Teil der Begehung im Sinn von § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG. Dass ferner auf Rechtsfolgenseite die Anspruchsberechtigung nach § 6 Satz 1 GeschGehG dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses zugewiesen ist, macht dessen Verletzung ebenfalls weder zu einem Element der verbotenen Handlung noch zu einem tatbestandnotwendigen Erfolg. …
Die hier gefundene Sichtweise entspricht der vom Gesetzgeber gewollten Einordnung der Regelungen über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Dieser wollte mit § 4 GeschGehG einen Katalog von „Handlungsverboten“ schaffen, bei deren Missachtung eine rechtswidrige Erlangung oder eine rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung vorliegt. Die Festlegung eines Katalogs von Handlungsverboten soll verdeutlichen, dass Geschäftsgeheimnisse nicht gegen jede Benutzung durch Dritte ohne Zustimmung des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses geschützt werden, sondern nur gegen bestimmte unlautere Verhaltensweisen. Dies soll dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich bei Geschäftsgeheimnissen zwar in gewisser Weise um Immaterialgüterrechte handelt, aber anders als bei Patenten, Marken und Urheberrechten keine subjektiven Ausschließlichkeits- und Ausschließungsrechte vorliegen können (BT-Drucks. 19/4724, S. 19, 26). Entgegen der Ansicht der Beschwerde bezweckt das Gesetz keinen Schutz gegen die „primäre Verletzung“ von Geschäftsgeheimnissen als geschützten bzw. „vermögenswerten“ Rechtsgütern, sondern dient konkret dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor unerlaubter Erlangung, Nutzung und Offenlegung (§ 1 Abs. 1 GeschGehG). Dass den so geschützten Geheimnissen Vermögenswert zukommt, ändert nichts daran, dass es für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung nach § 4 GeschGehG nicht auf einen Erfolg der Beeinträchtigung dieses „Rechtsguts“ ankommt, sondern allein auf die dort genannten Handlungserfolge.
Allerdings geht das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 25. November 2021 – 15 SA 1/21, BeckRS 2021, 38391 Rn. 55) offenbar davon aus, im Sinn von Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO sei der „Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs“ (Erfolgsort) bei unerlaubten Handlungen in Gestalt von Zuwiderhandlungen gegen § 4 GeschGehG am Ort des Sitzes der „betroffenen“ Rechtsinhaberin zu lokalisieren. Es kann dahinstehen, ob im Rahmen dieser Vorschrift – was naheliegt – der Erfolgsort einer Handlung nach § 4 GeschGehG ebenso zu bestimmen ist, wie nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG. Nach Auffassung des Senats fehlt es aus den oben genannten Gründen an einem zur Anknüpfung des Erfolgsorts geeigneten Tatbestandsmerkmal der „Betroffenheit“ des (lediglich anspruchsberechtigten) Inhabers des Geschäftsgeheimnisses. Die zu anderen Ansprüchen, nämlich neben § 823 Abs. 2 i.V.m. § 17 UWG aF auch § 823 Abs. 1, § 826 BGB ergangene Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (Urteil vom 15. November 2004 – 2-18 O 109/04, BeckRS 2010, 17136), ist auf die hier interessierende Frage der Auslegung von § 15 GeschGehG nicht zu übertragen. Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 21. November 2019 – I-2 U 34/19, juris Rn. 10 f) ausgeführt hat, für die Bestimmung des anwendbaren Rechts komme es nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO, ggf. i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO auf den Sitz des beeinträchtigten Inhabers des Geschäftsgeheimnisses (beeinträchtigten Wettbewerbers) an, kann dahinstehen, ob dem zuzustimmen ist. Diese Beurteilung wäre jedenfalls nicht auf die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG zu übertragen.
Ein Erfolgsort am Sitz des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses lässt sich auch nicht aus Überlegungen zum Zuständigkeitsregime im Lauterkeitsrecht ableiten. Zwar beruht die Regelung in § 15 (insbes. Abs. 1) GeschGehG auf der Vorstellung des Gesetzgebers, dass Gemeinsamkeiten des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen mit dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb bestehen (BT-Drucks. 19/4724, S. 35). Indes ist auch im Lauterkeitsrecht selbst bei individuell einen Wettbewerber berührenden Zuwiderhandlungen nicht ohne Weiteres ein Erfolgsort an dessen Sitz gegeben. Soweit ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht (wie etwa gegen § 4 Nr. 1 UWG) voraussetzt, dass die Handlung geeignet ist, die wettbewerblichen Interessen des Mitbewerbers auf dem fraglichen Markt zu beeinträchtigen, ist zwar etwa nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ein Gerichtsstand im Inland nur begründet, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll. Schon insoweit kommt es indes gerade nicht darauf an, wo der betroffene Mitbewerber seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 – I ZR 131/12, juris Rn. 24; siehe auch Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. § 14 Rn. 18). Zwar wird mitunter angenommen, der Begehungsort könne auch am Belegenheitsort des „geschützten Rechtsgutes“ liegen, namentlich bei unlauteren Eingriffen mit Betriebsbezogenheit (Ehricke/Könen in MünchKommUWG, 3. Aufl., § 14 Rn. 69, 82 mwN). Dies mag in Fällen zutreffen, in denen die Auswirkungen auf den Betroffenen für die Feststellung des Rechtsverstoßes von Bedeutung sind, in denen also ohne gerade diesen Erfolg die Handlung nicht vollendet wäre (vgl. Tolkmitt in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 14 Rn. 100; siehe auch Rn. 101 f). Dies kann auch der Fall sein, wenn sich eine Maßnahme gezielt gegen einen Mitbewerber richtet (individuelle Behinderung), so dass dann auf den Ort abzustellen ist, wo der Mitbewerber gehindert wird, tätig zu werden bzw. seine Leistung zur Geltung zu bringen (vgl. Tolkmitt in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 14 Rn. 101). Auf solche Auswirkungen kommt es aber für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen § 4 GeschGehG gerade nicht an.
Soweit der Bundesgerichtshof (Urteil vom 23. Oktober 1979 – KZR 21/78, GRUR 1980, 130 [juris Rn. 21] – Kfz-Händler) im Fall einer Boykottaufforderung die internationale Zuständigkeit u.a. daraus abgeleitet hat, dass die auf eine Beschränkung des Wettbewerbs gerichteten Handlungen jedenfalls hinsichtlich eines Teiles der Tatbestandsverwirklichung eine Beziehung zum Inland hatten, ergibt sich daraus nichts Anderes. Maßgeblich dafür war nämlich, dass sich weder ein Boykott noch ein zum Schadensersatz verpflichtender Verstoß gegen Art. 85 EWGV feststellen lassen, ohne dass die Maßnahme auf die Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation eines bestimmten Wettbewerbers abzielt. Ein solcher Erfolg in Gestalt der Beeinträchtigung des Betroffenen – wenigsten als Gegenstand eines subjektiven Tatbestandsmerkmals – ist bei den Handlungen nach § 4 GeschGehG nicht kennzeichnend. Aus der Rechtsprechung zum Erfolgsort bei verbotenen Kartellabsprachen (BGH, Beschluss vom 27. November 2018 – X ARZ 321/18, GRUR 2019, 213 Rn. 18) folgt ebenfalls nicht Anderes.
Die Überlegungen der Beschwerde zu Systematik und Sinn und Zweck der Vorschrift greifen nicht durch. Wie die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 GeschGehG zeigt, ging es dem Gesetzgeber insbesondere nicht darum, dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses eine Durchsetzung seiner Rechte an seinem Sitz zu ermöglich. Darin zeigt sich auch, dass der Gesetzgeber der Aufklärung der am Sitz des Geheimnisinhabers vorliegenden Tatumstände (etwa hinsichtlich der Entstehung des Geschäftsgeheimnisses) eher geringeres Gewicht beigemessen hat, als den Tatumständen der Begehung, an deren Ort in Ermangelung eines inländischen allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten die Zuständigkeit nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG liegt. Die letztgenannte Regelung hat schon deshalb einen sinnvollen Anwendungsbereich, weil sie durch ausländische Personen im Inland begangene Handlungen erfasst. Umgekehrt ist nicht zu erkennen, dass es bei im Ausland begangenen Handlungen an einem Zugang zu den Gerichten fehlt. Dass § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG einen ausschließlichen örtlichen Gerichtsstand („nur“) anordnet, betrifft lediglich die Zuständigkeitsverteilung deutscher Gerichte und soll ersichtlich nicht etwa anderweitig begründete internationale Gerichtsstände derogieren. Soweit diese Vorschrift zugleich eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit begründet, folgt daraus nichts für etwaige (zusätzliche) Gerichtsstände im Ausland. Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber eine maximale Ausdehnung der deutschen Gerichtsbarkeit insbesondere auf sämtliche im Ausland begangenen Handlungen erreichen wollte, soweit das Geschäftsgeheimnis eines im Inland ansässigen Unternehmens betroffen ist. Dies wäre auch mit Blick darauf, dass in derartigen Fällen tatsächlicher Aufklärungsbedarf (insbesondere eine Beweisaufnahme) hinsichtlich der insbesondere streitträchtigen Frage der Zuwiderhandlung im Ausland zu erwarten wäre, nicht sachgerecht und entspräche gerade nicht dem Sinn eines deliktischen Gerichtsstands. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass hinsichtlich solcher Auslandshandlungen außerhalb Deutschlands kein Rechtsschutz zu erlangen wäre, etwa am Handlungsort oder am Sitz der Antragsgegner. Dies gilt unabhängig davon, ob das ausländische Gericht das Rechtsverhältnis nach deutschem oder ausländischem materiellem Recht zu beurteilen hat. Somit erfordern auch weder das durch die Beschwerde angeführte – allerdings schon mangels Verletzung des Geschäftsgeheimnisses durch die öffentliche Gewalt gar nicht einschlägige – Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG noch der – hier interessierende – allgemeine Justizgewährleistungsanspruch eine Auslegung, wonach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG mangels Handlung oder Erfolg im Sinn von § 4 GeschGehG im Inland wenigstens einen Gerichtsstand am inländischen Sitz des Geheimnisinhabers bereitstellen müsste.
Kommentar:
Das Oberlandesgericht Karlsruhe entscheidet stark am Wortlaut dokumentiert, negiert aber die europäische Rechtsentwicklung im Deliktsrecht: Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 21. November 2019 – I-2 U 34/19, juris Rn. 10 f) ausgeführt hat, kommt es für die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO, ggf. i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Rom II-VO auf den Sitz des beeinträchtigten Inhabers des Geschäftsgeheimnisses (beeinträchtigten Wettbewerbers) an. Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO lautet:
„Soweit in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.“
Zwar geht es hier um die Bestimmung des anwendbaren Rechts, doch verliert im europäischen Kontext die typisch deutsche Unterscheidung zwischen Handlungs- und Erfolgsort an Bedeutung. Das europäische Recht knüpft zuvorderst am Erfolgsort an, nicht zuletzt Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO belegt:
„…, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;
Mit dem Oberlandesgericht Karlsruhe kann man nun den Erfolg der Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses schon der Handlung inhärent ansehen, man kann aber § 15 Abs. 2 S. 2 GeschGehG auch europäischer auslegen und den Erfolg analog Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO, Art. 4 Abs. 2 Rom II-Verordnung (EG) Nr. 864/2007 am gewöhnlichen Aufenthaltsort der geschädigten Personen festmachen. Die Rechtsentwicklung scheint in diese Richtung zu gehen.

Dienstag, 17. Mai 2022

Schiedsvereinbarungen in Gesellschaften

Mit seinem Beschluss vom 23. September 2021 (I ZB 13/21 - Schiedsfähigkeit IV) hat der Bundesgerichtshof sich vielleicht letztmalig zur Schiedsfähigkeit bei Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften nach altem Recht geäußert. Insbesondere hält er fest, dass die in seiner Rechtsprechung zu Kapitalgesellschaften aufgestellten Anforderungen grundsätzlich nur für solche Personengesellschaften gelten, in denen Beschlussmängelstreitigkeiten gegen die Gesellschaft und nicht gegen die anderen Gesellschafter zu führen sind. Diese Rechtsprechung sollte durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz - MoPeG) stark modifiziert werden. Das Gesetz vom 10.08.2021 - BGBl. I 2021, Nr. 53 17.08.2021, S. 3436, tritt zum 1. Januar 2024 in Kraft.

Die Anforderungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bis jetzt:

  • Information jedes Gesellschafters über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens
  • Möglichkeit der Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter (außer bei neutraler Schiedsinstitution)
  • Konzentration aller denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht

Grund für diese Anforderungen ist vor allem die Wirkung eines Urteils, das einen Beschluss für nichtig erklärt oder bestätigt. Ein solches Schiedsurteil wirkt für und gegen alle („inter omnes“). Demgemäß hielt der Bundesgerichtshof eine ihm vorgelegte Klausel führt teilweise unwirksam.

Mit dem MoPeG wird in §§ 111 ff. HGB ein ausführliches Prozesssystem zur Anfechtung oder Nichtigerklärung von Gesellschafterbeschlüssen in Personenhandelsgesellschaften, also offener Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft eingeführt. Nach der gesetzlichen Bestätigung der Teilrechtsfähigkeit der Personengesellschaft kennt aber auch der neue § 715b eine prozessuale Regelung der Gesellschafterklage. Vor allem § 113 HGB regelt die Anfechtungsklage, eine Regelung, die entsprechend auch auf die Nichtigkeitsklage anzuwenden ist. Er lautet:

§ 113 Anfechtungsklage

(1) Zuständig für die Anfechtungsklage ist ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.

(2) Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Ist außer dem Kläger kein Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft befugt, wird die Gesellschaft von den anderen Gesellschaftern gemeinsam vertreten.

(3) Die Gesellschaft hat die Gesellschafter unverzüglich über die Erhebung der Klage und die Lage des Rechtsstreits zu unterrichten. Ferner hat sie das Gericht über die erfolgte Unterrichtung in Kenntnis zu setzen. Das Gericht hat auf eine unverzügliche Unterrichtung der Gesellschafter hinzuwirken.

(4) Die mündliche Verhandlung soll nicht vor Ablauf der Klagefrist stattfinden. Mehrere Anfechtungsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(5) Den Streitwert bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen.

(6) Soweit der Gesellschafterbeschluss durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt worden ist, wirkt das Urteil für und gegen alle Gesellschafter, auch wenn sie nicht Partei sind.

Insbesondere die Absätze 3, 4 und 6 werden Einfluss auf die Ausgestaltung von Schiedsklauseln haben. Die Klagefrist nach Abs. 4 S. 1 beträgt grundsätzlich 3 Monate ab Bekanntgabe des Beschlusses, § 112 Abs. 1 und 2 HGB. Selbstredend fehlt eine Vorschrift zur Mitwirkung bei der Besetzung des Gerichts. Das Landgericht ist ein staatliches Gericht mit nicht zuletzt Berufsrichtern. Besonders die Verfahrensregeln im § 113 Abs. 3 HGB klingen ebenso wie in § 6 überlegt, sodass sie gegebenenfalls in einer Schiedsabrede wiederholt werden sollten. Gleiches gilt für § 113 Abs. 4 HGB. Es bleibt abzuwarten, wie die Schiedsinstitutionen auf diese Gesetzesänderung reagieren werden.

Freitag, 14. Januar 2022

Teleologische Reduktion des Deliktsstatuts bei gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums nach Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO im Falle einer Rechtsverletzung in einem Drittstaat - OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2020 - 2 U 147/18

Bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart geht es um das anwendbare Recht bei der Verletzung einer Unionsmarke. Die Klägerin produziert und vertreibt weltweit Parfüms unter verschiedenen Marken. Die Beklagte betreibt E-Commerce-Plattformen, die sich an den chinesischen Markt richten. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten wegen nach Ansicht der Klägerin markenrechtsverletzender Angebote, die Verkäufer auf den E-Commerce-Plattformen der Beklagten eingestellt hatten.

Welches materielle Recht muss angewandt werden? Für das einschlägige Deliktsstatut besagt Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO:

„Bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums ist auf Fragen, die nicht unter den einschlägigen Rechtsakt der Gemeinschaft fallen, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Verletzung begangen wurde.“

Wie das Oberlandesgericht richtig festhält betreffen sämtliche Klaganträge der Klägerin die Verletzung einer Unionsmarke. Damit ist die Verordnung über die Gemeinschaftsmarke (VO (EG) Nr. 207/2009; im Folgenden GMV) bzw. über die Unionsmarke (VO (EU) 2017/1001; im Folgenden: UMV) anwendbar, wie sich aus Art. 129 Abs. 1 UMV i.V.m. Art. 124a UMV ergibt.

Ob die Angebote auf der Plattform der Beklagten, die Anlass für die geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Klägerin sind, einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Bezug zum Unionsgebiet haben, spielt für die Frage, welches Recht anwendbar ist, nach Ansicht des Oberlandesgerichts keine Rolle. Der sog. "commercial effect" spiele nur eine Rolle bei der Frage, welche Reichweite bzw. welchen Anwendungsbereich das Unionsrecht hat. Das zeigten die Ausführungen des EuGH in dem einschlägigen Urteil vom 12.07.2011, C-324/09 (L'Oréal/eBay) in Rn. 58 ff., insbesondere Rn. 64, wo der EuGH ausführt, dass Websites und Anzeigen, die offensichtlich ausschließlich an Verbraucher in Drittstaaten gerichtet sind, gleichwohl aber im Gebiet der EU technisch zugänglich sind, nicht dem Unionsrecht unterliegen, und in Rn. 66, wo er vom Anwendungsbereich der Unionsnormen im Bereich des Markenschutzes spricht. Auch die OSCAR-Entscheidung des BGH vom 08.03.2012 (I ZR 75/10, GRUR 2012, 621) bestätige dies. Denn ausweislich des zweiten Leitsatzes dieser Entscheidung und den Ausführungen unter Rn. 34 ff. ist der wirtschaftlich relevante Inlandsbezug bei der Frage, ob eine zeichenrechtlich relevante Verletzungshandlung im Inland vorliegt, zu prüfen, nicht aber bei der Frage, ob überhaupt das nationale Markenrecht anwendbar ist.

Auf den Schadensersatzanspruch sei deshalb nicht chinesisches, sondern deutsches Recht anzuwenden. Nach Art. 129 Abs. 2 UMV wendet das Unionsmarkengericht in allen Markenfragen, die nicht durch die UMV erfasst werden, das geltende nationale Recht an. Schadensersatzansprüche sind nicht durch die UMV erfasst (Eisenführ/Overhage in Eisenführ/Schennen, aaO., Art. 101, Rn. 5).

Welches Recht das anwendbare Recht im Sinne von Art. 129 Abs. 2 UMV ist, ergäbe sich aus Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO (Eisenführ/Overhage, aaO., Art. 101, Rn. 10; Drexl in MüKo/BGB, Bd. XII, 7. Aufl. 2018, Teil 8, Internationales Immaterialgüterrecht, Rn. 141; Fezer/Koos, in Staudinger [2019] EGBGB , Internationales Wirtschaftsrecht, Rn. 959). Danach sei bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums auf Fragen, die nicht unter den einschlägigen Rechtsakt der Gemeinschaft fallen, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Verletzung begangen wurde. Das danach bezeichnete Recht sei nach Art. 3 Rom II-VO auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist.

Der EuGH habe in dem Fall Nintendo/BigBen, der ein Geschmacksmuster betraf (Urteil vom 27.09.2017, C-24/16 und C-25/16), festgestellt, dass der Begriff des "Staates ..., in dem die Verletzung begangen wurde" sich von dem Kriterium in Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO (Staat, "in dem der Schaden eintritt") unterscheide und dahingehend auszulegen sei, dass darunter der Staat zu verstehen sei, in dem die Verletzungshandlung begangen worden sei (aaO., Rn. 98). In einem Fall, in dem einem Wirtschaftsteilnehmer vorgeworfen werde, dass über seine Website ohne Zustimmung des Rechteinhabers Waren zum Kauf angeboten werden, sei der Ort des schadensbegründenden Ereignisses der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots durch den Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Website in Gang gesetzt worden sei (aaO., Rn. 108).

Die Veröffentlichung der Angebote auf der Website der Beklagten hat unstreitig in China stattgefunden. Mithin wäre chinesisches Recht anwendbar. Ob das IPR Chinas eine Rückverweisung enthält, wäre nach Art. 24 Rom II-VO ausdrücklich unbeachtlich.

Der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO sei nach gerichtlicher Ansicht jedoch teleologisch zu reduzieren, wenn - anders als in der oben zitierten Entscheidung des EuGH vom 27.09.2017, C-24/16 und C-25/16 - der Staat, in dem die Verletzungshandlung vorgenommen wurde, kein Mitgliedstaat der EU ist. Denn es sei nicht davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber die Durchsetzung von Unionsschutzrechten nach dem Immaterialgüterrecht eines Drittstaats bestimmen wollte. Gegen eine solche Absicht spreche wesentlich der Umstand, dass der europäische Gesetzgeber mit der Richtlinie 2004/48/EG (im Folgenden: Durchsetzungs-RL) das Ziel verfolgt, die in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums einander anzunähern, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten (Erwägungsgrund 10). Beispielsweise haben die Mitgliedstaaten nach Art. 13 der Durchsetzungs-RL sicherzustellen, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag der geschädigten Partei anordnen, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, dem Rechteinhaber zum Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat. Würden nun die Sanktionen zur Durchsetzung von Unionsschutzrechten nach dem Immaterialgüterrecht eines Drittstaats bestimmt werden, dann könnte das Unionsrecht entgegen dem mit der Durchsetzungs-RL verfolgten Ziel gerade keinen ausreichenden Rechtsschutz für Verletzungshandlungen, die Schäden im Gebiet der Europäischen Union verursachen, bieten. Sähe das Sachrecht des Drittstaats überhaupt keine Vorkehrungen für Nebenansprüche aus der Verletzung eines europäischen Rechtstitels vor, käme es sogar zu einem vollständigen Leerlauf der Verweisung (Grünberger in Hüßtege/Mansel, BGB - Band 6 Rom-Verordnungen, 3. Aufl. 2019, Rom II-VO Art. 8, Rn. 68).

Der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO sei daher teleologisch zu reduzieren. Die Vorschrift findet nur Anwendung, wenn der Staat, in dem die Verletzungshandlung vorgenommen wurde, ein Mitgliedstaat der EU ist, denn die Funktion der Vorschrift beschränkt sich auf eine unter Anknüpfung für das Territorium der EU (Drexl, aaO., Rn. 138; lediglich die Meinung Drexls referierend ohne eigene Stellungnahme Fezer/Koos, aaO., Rn. 966; zum selben Ergebnis - Nichtanwendbarkeit des Rechts des Drittstaats - führt die Ansicht Grünbergers aaO., Rn. 68, dass in diesen Fällen ausschließlich nach dem tatbestandlichen Handlungsortbegriff (Erfolgsort) anzuknüpfen sei).

Auf die Fälle des Handelns in einem Drittstaat - wie hier - sei sodann nach den klassischen kollisionsrechtlichen Prinzipien das sachnächste Recht eines Mitgliedstaates im Sinne einer Reserveanknüpfung zur Anwendung zu bringen (Drexl, ebenda). Das sachnächste Recht ist hier deutsches Recht. Denn eine Anknüpfung daran, in welchen EU-Staat wie viele Lieferungen erfolgt sind, ergäbe vor dem Hintergrund, dass die Rechtsverletzung in einem Angebot besteht und nicht in einer Lieferung, keinen Sinn. Und auf den Sitz des Markeninhabers könne nicht abgestellt werden, weil dieser außerhalb der EU liegt. Damit bleibe als einziger weiterer Anknüpfungspunkt der Sitz des Lizenznehmers, d.h. der Klägerin, der in Deutschland liegt.

Das Urteil ist zwiespältig: Dem Rechtsuchenden gibt es Brot und nicht Steine. Er erhält zumindest relativ einfach einen Titel, der allerdings gegebenenfalls noch außerhalb der EU zu vollstrecken wäre. Die Argumentation des Oberlandesgerichts verkennt indes, dass die Rom II-VO diskriminierungsfreie Kollisionsregeln aufstellt und nach Art. 3 Rom II-VO das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht auch dann anzuwenden sei, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats sei. Der Rekurs auf den Effet utile in Form der teleologischen Reduktion wirkt hier gegenüber dem chinesischen Recht doch ein wenig chauvinistisch.