Mittwoch, 20. April 2016

Ein ordentliches Kündigungsrecht von zwei Monaten zum Monatsende in einem Vertrag über die Betreuung eines Kindes in einer Kinderkrippe ist zulässig. Für die Dauer der Eingewöhnungsphase gibt es kein fristloses Lösungsrecht

Der Bundesgerichtshof (III ZR126/15) bestätigt die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung eines Vertrags über die Betreuung eines Kindes in einer Kinderkrippe wegen Unwohlseins und Schlafschwierigkeiten in der Eingewöhnungsphase

 Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Vertrag über die Betreuung eines Kleinkindes in einer Kinderkrippe.Für die Zeit ab 1. September 2013 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Vertrag über die Betreuung seines am 3. Mai 2012 geborenen Sohnes. In diesen Vertrag einbezogen wurden die Regelungen in der "Betreuungsverordnung" der Beklagten, worin unter anderem Folgendes bestimmt ist: "Die Kündigung bedarf der Schriftform und ist von beiden Seiten ordentlich und mit einer Frist von 2 Monaten zum Ende eines Monats auszusprechen.“Sein Sohn besuchte die Kinderkrippe vom 9. bis zum 19. September 2013. An diesem Tag teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er die Betreuung nicht mehr in Anspruch nehmen wolle und bat um Rückzahlung der Kaution. Die Beklagte bestand demgegenüber auf der Einhaltung des Vertrags und verweigerte die Rückzahlung. Mit Anwalts-schreiben vom 25. September 2013 kündigte der Kläger den Betreuungsvertrag „mit sofortiger Wirkung“

Die Beklagte kann vom Kläger die Betreuungsvergütung für die Monate September bis November 2013 - mit Ausnahme der Verpflegungs- und Pflegemittelpauschale für Oktober und November 2013 – beanspruchen. Ein Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 BGB, das durch AGB grundsätzlich nicht wirksam abbedungen werden kann, stand dem Kläger nicht zu. Denn bei dem vorliegenden Betreuungsvertrag handelt es sich zwar um einen Dienstvertrag (§ 611 BGB); die Voraussetzungen des § 627 Abs. 1 BGB liegen aber nicht vor. Unabhängig von der Frage, ob Dienste höherer Art geschuldet sind, ist der vorliegende Betreuungsvertrag nämlich als ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen einzuordnen.
Ohne Rechtsfehler haben beide Vorinstanzen auch einen Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB verneint. Unwohlsein und Schlafschwierigkeiten in der Eingewöhnungsphase reichen dafür nicht.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist schon deshalb zu begrüßen, weil es etwas Licht ins Dunkel der Nutzungsbedingungen von Kindergärten bzw. Kindertagesstätten bringt. Der Markt für Kinderbetreuung wird ständig größer, nicht zuletzt auch durch die Ausgestaltung der Nutzung der Einrichtungen kommunaler Träger in privatrechtlicher Form und nicht durch eine öffentlich-rechtliche Satzung mit Gebühren. Zur Gestaltung oder Prüfung solcher Geschäftsbedingungen halten wir insbesondere fest:
1. Ein Vertrag zur Betreuung von Kindern kann nicht ohne wichtigen Grund gemäß § 627 Abs. 1 BGB fristlos gekündigt werden. Es handelt sich um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen. Insofern ist ein solcher Vertrag nicht anders zu beurteilen als ein Privatschulvertrag (BGH III ZR 74/07).
2. Auch bei Kleinstkindern wie hier im Alter von einem Jahr ist eine zweimonatige ordentliche Kündigungsfrist nicht zu beanstanden.
3. Ein wichtiger Grund liegt auch nicht ohne weiteres schon darin, dass ein Kleinkind nach Aufnahme in eine Kinderkrippe Unwohlsein und Schlafschwierigkeiten zeigt. Diese Folgen der Eingewöhnungsphase sind verbreitet und fallen grundsätzlich in den Risikobereich der Eltern.
3. Der Kindergartenbetreiber kann keine erhebliche „Kaution“ zur freien Verfügung verlangen.
4. Eine Nutzungspflicht, um Fördergelder für den Kindergartenbetreiber zu sichern, kann nicht vereinbart werden.

Mittwoch, 13. April 2016

Wettbewerbsverbot des Verkäufers kann beim Unternehmenskauf ungeschriebene Nebenpflicht sein

Oberlandesgericht Düsseldorf (I-22 U37/15) regelt wichtigen Punkt bei Unternehmenskauf oder Nachfolgeregelungen

Ein Wettbewerbsverbot des Verkäufers kann sich bei einem Unternehmenskauf bereits aus der Verschaffungspflicht des Verkäufers nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als ungeschriebene Nebenpflicht auch ohne gesonderte Vereinbarung ergeben.

Bei einem Unternehmenskauf ist zu berücksichtigen, dass im Kaufpreis regelmäßig der wirtschaftliche Wert des Wettbewerbsverbots (und zwar unter Berücksichtigung seiner konkreten - hier fünfjährigen - Dauer ab Ende der Überleitungsphase) von den Parteien einkalkuliert wurde.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten auf Grundlage einer Kundenschutzklausel in einem Kaufvertrag über Mandatsbeziehungen einer Steuerberatungskanzlei mit einem jährlichen Umsatz von ca. 650.000 € zum Kaufpreis von 747.500 € (115 % des Jahresumsatzes) einen Anspruch auf Unterlassung geltend, bis 5 Jahre nach Vertragsbeendigung für näher bezeichnete Mandanten der Klägerin steuerlich tätig zu werden.
Die Vorinstanz verneint den Anspruch. Die Kundenschutzklausel sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da sie - nach den Maßstäben des BGH - als Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß überschreite.
Das OLG Düsseldorf bejaht den Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB, denn die Kundenschutzklausel sei wirksam, insbesondere sei sie weder gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Eine Beschränkung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit in Gestalt eines - ohne Äquivalent - für längere Zeit durchgesetzten Verbots, in einem Erwerbszweig tätig zu werden, ist gemäß § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG sittenwidrig. Ausschlaggebend für diese Wertung ist die Beschränkung der durch Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Wettbewerbsverbote sind nur wirksam, wenn sie durch ein schutzwürdiges Interesse des Berechtigten gefordert werden und sich nach ihrem örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen Umfang im Rahmen des Angemessenen halten. Sittenwidrig ist es, wenn der Betroffene ohne angemessenen Ausgleich für längere Zeit seine wirtschaftliche Selbständigkeit einbüßt. Bei einem aus der Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafter ist in der Regel eine Verbotsfrist von zwei Jahren angemessen, weil sich die Mandantenbeziehungen nach Ablauf dieser Zeitspanne typischerweise weitgehend gelöst haben (zuletzt BGH, EWiR 2015, 269. Bei einem zeitlichen Übermaß ist ein Wettbewerbsverbot zu kürzen. Bei einem Unternehmenskauf sind Wettbewerbsverbote in dem Ausmaß zulässig, das Allgemeininteresse an einem funktionierenden Wettbewerb respektiert und den einen Vertragspartner vor der illoyalen Verwertung der Erfolge seiner Arbeit durch den anderen Vertragspartner schützt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein Wettbewerbsverbot des Verkäufers bei einem Unternehmenskauf bereits aus der kaufrechtlichen Verschaffungspflicht des Verkäufers nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als ungeschriebene Nebenpflicht bzw. nachvertragliche Treuepflicht des Verkäufers auch ohne gesonderte Vereinbarung ergibt, soweit die Unterlassung von Wettbewerb zur Überleitung der Mandate erforderlich ist. Die Rspr. geht insoweit nicht von einer Regelfrist von zwei Jahren aus, sondern berücksichtigt jeweils die Umstände des Einzelfalles. Beim Unternehmenskauf wird der wirtschaftliche Wert des Wettbewerbsverbots in den Kaufpreis einkalkuliert.
Das ausführlich begründete Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf überzeugt. Es stärkt die Käuferrechte beim Erwerb von Unternehmen. Kundenschutz kann auch länger als zwei Jahre nach Übertragung des Unternehmens gelten; eine Karenzentschädigung fällt nur ausnahmsweise an. Verfassungsrechtlich hätten wir uns noch stärker die Diskussion der Grundrechte (Eigentumsgarantie und allgemeine Handlungsfreiheit) gewünscht.
Beim Erwerb von Beratungsunternehmen geht es hauptsächlich um die Übertragung der Kundenbeziehungen als wichtigstem Vermögensgegenstand des erworbenen Unternehmens.
Der Erwerber kauft umgangssprachlich die Kunden, was vor allem das Unterlassen von Abwerbung dieser Kunden gegenüber dem Käufer des Unternehmens bedeutet. Nicht selten verpflichtet sich der Verkäufer, alle bisherigen Kunden nicht mehr zu betreuen.
Manchen Veräußerer reut allerdings die Veräußerung, so dass sie versuchen, den Kundenschutz zu umgehen. Regelmäßig wird bei natürlichen Personen dann die wirtschaftliche Abhängigkeit oder Arbeitnehmerähnlichkeit behauptet, was bei fehlender Karenzentschädigung analog § 74 Abs. 2 HGB zu einer Wirkungslosigkeit des Kundenschutzes führte (BGH EWiR 2003, 971). Das OLG Düsseldorf schränkt die Möglichkeit der Berufung auf diese Analogie stark ein, indem es die Kaufpreiszahlung auch als Entschädigung für den Kundenschutz ansieht. Selbst bei wirtschaftlicher Abhängigkeit des Verkäufers durch überleitende Mitarbeit gab es also eine Art Karenzentschädigung, über deren angemessene Höhe dann nur noch Streit bestehen kann. Bei Zahlung eines nach dem Jahresumsatz bestimmten Kaufpreises sollten die Voraussetzungen von § 74 Abs. 2 HGB (Hälfte der Vertragsleistungen für jedes Jahr des Verbots) regelmäßig erfüllt sein.
Auch die Dauer des Kundenschutzes sieht das OLG Düsseldorf unkritisch: Im konkreten Fall enger Kundenbindung erlaubt es sogar fünf Jahre. Im Zweifel muss den Erwerber eine unangemessen hohe Laufzeit nicht interessieren, da die Rechtsprechung die Geltung durch angemessene Reduktion der Laufzeit erhält. Die Anerkennung einer fünfjährigen Laufzeit kann allerdings als Diktum bei enger Kundenbindung im Bereich von Dienstleistungen höherer Art aufgrund besonderen Vertrauens wie hier der Steuerberatung gewertet werden. Demgemäß hat ein Käufer nur im Falle eines pauschalen Konkurrenzschutzes Gegenstand und räumliche Geltung zu beachten; auf der sicheren Seite ist er mit einem auf einzelne Kunden definierten Kundenschutz. Zur einfacheren Vollstreckung sollten diese Kunden namentlich benannt werden.