Dienstag, 8. Januar 2019

Sitztheorie weiterhin gültig - Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Umwandlung von EU-Auslandsgesellschaften

Mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften in anderen EU-Mitgliedstaaten („Überseering“, „Inspire Art“) hat sich die fälschliche Vorstellung verfestigt, in Deutschland sei der Sitztheorie nicht mehr gültig. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch die ausdrückliche Möglichkeit, den effektiven Verwaltungssitz deutscher GmbH oder Aktiengesellschaften ins Ausland zu verlegen. Ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung bestätigt die weitere Gültigkeit der Sitztheorie, gerade auch im Hinblick auf englische Limiteds nach dem BREXIT.
Nach der sog. Sitztheorie bestimmt sich das auf die Gesellschaft anwendbare Recht („Gesellschaftsstatut“) nach dem Recht des Staates, wo die Gesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz hat. Anders richtet sich das Personalstatut von Gesellschaften nach der sog. Gründungstheorie, wenn die Auslandsgesellschaft in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrags in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden ist (BGH, Urt. v. 27.10.2008 - II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rz. 19; v. 11.1.2011 - II ZR 157/09, NJW 2011, 844 Rz. 16 jew. m.w.N.). Nur für Gesellschaften, die in einem Drittstaat gegründet worden sind, hält die Rechtsprechung an der sog. Sitztheorie fest, nach der für das Personalstatut das Recht des Sitzstaats maßgeblich ist (BGH, Urt. v. 27.10.2008 - II ZR 158/06).
Die Bundesregierung hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Gesellschaften nach britischem Recht die Niederlassungsfreiheit in Deutschland auch nach dem EU-Austritt Großbritanniens sichert. Einen entsprechenden Gesetzentwurf beschloss das Bundeskabinett am 10. Oktober in Berlin.
Das Umwandlungsgesetz regelt inländische wie auch grenzüberschreitende Umwandlungen von Unternehmen in andere Rechtsformen: z.B. von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft. Anlass ist das bevorstehende Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union – der BREXIT. Vom Brexit betroffen sind vor allem Unternehmen in der britischen Rechtsform einer „Limited“, einer „private company limited by shares“, mit Verwaltungssitz in Deutschland. Davon existieren schätzungsweise 8.000 bis 10.000 in Deutschland.
Der Gesetzentwurf schafft die Möglichkeit eines geordneten Wechsels einer "Limited" in eine deutsche Gesellschaftsrechtsform mit beschränkter Haftung. Die neue Gestaltungsoption einer grenzüberschreitenden Verschmelzung von Gesellschaften kann insbesondere kleinen Unternehmen den Übergang in eine deutsche Rechtsform erleichtern. Laut Entwurf reicht es aus, wenn die Gesellschafter ihre Umwandlungspläne vor dem Brexit notariell beurkunden lassen. Der Vollzug durch das Handelsregister muss spätestens nach zwei Jahren beantragt werden.
Die Umwandlung wäre nicht notwendig, würde Deutschland diese dann Gesellschaften eines Drittlandes nach der sog. Gründungstheorie anerkennen.
Der Gesetzentwurf enthält zudem eine Übergangsvorschrift für alle zum Zeitpunkt des Brexit bereits begonnenen Umwandlungsvorgänge. Die Übergangsvorschrift soll sowohl im Fall eines sog. harten Brexit im März nächsten Jahres als auch im Fall eines Austrittsabkommens zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich gelten.

Nicht-EU-ausländisches Gericht der Hauptsache im einstweiligen Verfügungsverfahren - notzuständiges Amtsgericht Nürtingen, Beschluss vom 9. Oktober 2018, 16 C 2892/18

Der Sachverhalt wirkt banal:
In einem Liefervertrag hatten die Parteien Exklusivität für verschiedene Produkte festgelegt. Anwendbares Recht soll das Recht eines Drittstaates außerhalb der EU sein. In diesem Drittstaat soll auch der Gerichtsstand sein. Art. 3 Rom I und Art. 25 Brüssel Ia lassen sowohl Rechts- als auch Gerichtsstandswahl verhältnismäßig problemlos zu.
Ein unter die Exklusivität fallendes Produkt befindet sich im Gerichtssprengel des Amtsgerichts Nürtingen und soll dort sequestriert werden. Gemäß § 942 ZPO erlässt das Amtsgericht die begehrte einstweilige Verfügung und verlangt Ladung des Gegners zur mündlichen Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der Verfügung bei dem Gericht der Hauptsache zu beantragen. Wo ist das Gericht der Hauptsache? Gilt die Derogation an das Gericht des Drittstaates? Soll die Hauptsache vor dem nach deutschem Recht zuständigen Landgericht Stuttgart verhandelt werden?
Das Amtsgericht entscheidet sich für das Gericht des Drittstaates als zuständiges Gericht und verlangt demgemäß die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens dort.
Nach Art. 35 Brüssel Ia gelten die Zuständigkeitsvorschriften gemäß Art. 4 ff. Brüssel Ia nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren. Demnach kann es zum Auseinanderfallen von Hauptsachezuständigkeit im Ausland und Eilzuständigkeit für das Verfügungsverfahren im Inland kommen. So auch hier: Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist Hauptsachegericht im Verfügungsverfahren das Landgericht Stuttgart und nicht das mit Gerichtsstandsvereinbarung festgelegte Gericht der Hauptsache im Ausland, was vorliegend auch elf Flugstunden entfernt ist. Eine denkbar ungeeignete Zuständigkeit zur Überprüfung eines amtsgerichtlichen Urteils. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist auch nur schwer vorstellbar, wie dieses Gericht eines Drittstaates im Rechtfertigungsverfahren nach § 942 die einstweilige Verfügung hätte bestätigen oder aufheben sollen. Trotz aller Internationalisierung ist eine derartige Verschränkung ohne völkerrechtliche Verträge nicht denkbar.
Fazit: Jede Gerichtsstandsvereinbarung sollte auch eine Regelung im Hinblick auf das Eilverfahren enthalten. Zur Vereinfachung empfiehlt sich die Ausnahme eines solchen Verfahrens von der Vereinbarung.

Kammergericht stärkt schweizerische Notare - Beschluss vom 26. 2018 – 22 W 2/18

„Die Beurkundung der Gründung einer deutschen GmbH durch einen Schweizer Notar mit Amtssitz im Kanton Basel erfüllt jedenfalls dann die Anforderungen nach §§ 6, 13 UmwG und kann im Eintragungsverfahren durch das Registergericht nicht beanstandet werden, wenn die Niederschrift in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben worden ist.“

Gebühren sparen ist in Deutschland bekanntlich ein Volkssport. Nicht nur der gemeine Steuerflüchtling begibt sich gerne für Beurkundungen in den deutschsprachigen Teil der Schweiz, sondern selbst die Bundesrepublik Deutschland lässt notarielle Beurkundungen dort fertigen („Toll Collect“).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zumindest die Beurkundung der Abtretung von Geschäftsanteilen einer deutschen, in Deutschland ansässigen GmbH durch einen schweizerischen Notar gleichwertig und damit wirksam, zumindest in den Kantonen Zürich und Basel Stadt. Gleichwertigkeit sei gegeben, da die dortigen Notare nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausüben und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten ist, das den tragenden Grundsätzen des Beurkundungsrechts entspricht (BGH, Beschluss vom 16.02.1981, II ZB 8/80, Beschluss vom 17.12.2013 – II ZB 6/13).
Strittig ist insbesondere auch die Beurkundung von kooperativen Akten einer deutschen GmbH in der Schweiz wie Gründung oder Umwandlung.
Das deutsche Beurkundungsrecht enthält keine Regelung über die örtliche Zuständigkeit für eine Beurkundung. Gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft grundsätzlich dann formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts erfüllt, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Alt. 1, Wirkungsstatut) oder die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (Alt. 2, Ortsstatut). Für das Gesellschaftsstatut wird allgemein angenommen, dass die Ortsform nicht ausreicht, weil es hier um eine materielle Richtigkeitsgewähr ginge. Demnach wird immer die Gleichwertigkeit der Beurkundung geprüft und im Ergebnis für manche Kantone in der Schweiz angenommen.
Das Kammergericht entscheidet hier erneut (Beschluss vom 24. Januar 2018, 22 W 25/16) gegen das strenge Amtsgericht Charlottenburg, das regelmäßig keine Gleichwertigkeit schweizerischer Beurkundungen annimmt. Es dehnt die Zulässigkeit entgegen verbreiteter Ansicht (so Cziupka EWiR 2018, 137, 138; Stelmaszczyk GWR 2018, 103, 105) sogar auf Umwandlungen aus.
„Auch die Annahme, die Beurkundungspflicht diene einer materiellen Richtigkeitsgewähr, zwingt nicht zu der Annahme, eine Beurkundung durch einen ausländischen Notar sei ausgeschlossen. Dass eine Auslandsbeurkundung stets dem Zwecke der Richtigkeitsgewähr entgegensteht, trifft nicht zu. Auch der ausländische Notar und der einen ausländischen Notar zur Beurkundung Aufsuchende sind an einer Wirksamkeit der Beurkundung auch in materieller Hinsicht interessiert. Demgegenüber finden sich auch Beurkundungen vor einem deutschen Notar, die durch die Registergerichte beanstandet werden. Entscheidend ist aber, dass die eigentliche Prüfung dem Registergericht obliegt. Die entsprechende Prüfung hat dann durch das Registergericht stattzufinden. Auch wenn eine Beurkundung durch einen deutschen Notar die Richtigkeit der Beurkundung nahe legt, was nach Auffassung des Senats auch Anlass sein sollte, eine Beurkundung vor einem deutschen Notar vorzunehmen, bedeutet das nicht, dass diese Eintragungsvoraussetzung wäre. Denn diese schließt eine eigene Prüfung durch das Registergericht nicht aus. Es entsteht keine Bindung. Dies gilt auch im Rahmen des § 378 Abs. 3 Satz 1 FamFG. Diesem wird zwar eine Filterfunktion zugeschrieben, das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht des Registergerichts bleiben jedoch uneingeschränkt bestehen (vgl. BT-Drucks. 18/10607 S. 110; Prütting/Holzer, FamFG, 4. Aufl., § 378 Rn. 20). Im Übrigen verbleibt es bei dieser Prüfung, weil diese nach § 378 Abs. 3 Satz 2 FamFG nicht durch eine Auslandsbeurkundung umgangen werden kann. Auch aus § 9c GmbHG lässt sich nichts anderes herleiten. Denn die Beschränkung der Prüfungsbefugnis dient der Beschleunigung des Registerverfahrens, indem weniger wichtige Punkte von einer Prüfung des Registergerichts ausgenommen werden (vgl. BT-Druck 13/8444 S. 76; offenbar a. A. Stelmaszczyk GWR 2018, 103, 105). Der Prüfungsumfang ist gerade bei den Regelungen, die im öffentlichen Interesse bestehen, uneingeschränkt geblieben, vgl. § 9c Abs. 2 Nr. 2 GmbHG. Dass eine solche Prüfung durch das Registergericht wegen der notariellen Vorprüfung gerade nicht erforderlich war, ergibt sich daraus gerade nicht. Mit der Annahme, die Beurkundung solle eine materielle Richtigkeit gewährleisten, die nur durch die Beurkundung vor einer deutschen Notarperson erreicht werden kann, wird zudem die Regelung des Art. 11 Abs. 1 EGBGB eingeschränkt, ohne dass sich hierfür eine ausreichende gesetzliche Regelung fände. Die mit einer Beurkundung durch einen deutschen Notar einhergehende Vermutung für die materielle Richtigkeit des Beurkundungsvorgangs erweist sich damit nicht als notwendig prägender Umstand, sondern nach dem derzeitigen Gesetzesstand als wünschenswerter Reflex (a. A. Lieder ZIP 2018, 805, 812).“
Offenbar ist das Kammergericht kein Freund deutscher Notare. Ob es schlechte Erfahrungen mit sogenannten Mitternachtsnotaren gemacht hat? Die Leistungen eines Notars scheint es indes zu wenig zu würdigen: Auch wenn Rechtsanwälte viele Verträge vorbereiten, ist es immer noch von Wert, wenn ein weiterer Jurist diese Verträge nochmals geprüft. Das könnten zwar auch schweizerische Notare, doch ist die Qualifikation eines deutschen Notars als Volljurist nicht von der Hand zu weisen.