Montag, 11. März 2013

Gläubiger können auch durch einen Nießbrauch des Schuldners am eigenen Grundstück benachteiligt werden


Landgericht Ulm lässt Anfechtung zu


Der Schuldner wollte die Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil gegen sich vereiteln. Sein einziger Vermögensgegenstand war ein Grundstück. An diesem Grundstück ließ sich der Schuldner noch während des Gerichtsprozesses einen Nießbrauch eintragen. Mit diesem Nießbrauch wäre eine Zwangsvollstreckung quasi unmöglich geworden. Er bliebe im geringsten Gebot einer Zwangsversteigerung bestehen und könnte nur zur Ausübung gepfändet werden. Da der Schuldner die Immobilie selbst bewohnte, war auch hier kein wirtschaftlich sinnvolles Ergebnis zu erwarten.

Die Bestellung dinglicher Rechte wie dem Nießbrauch am eigenen Grundstück ist nach dem Landgericht Ulm (Urteil vom 30.11.2012, 2 O 137/12) unmittelbar nach § 3 Abs. 1 Anfechtungsgesetz anfechtbar. Das Landgericht Ulm folgt insoweit dem Bundesfinanzhof (Urteil vom 30.3.2010, VII R 22/09). Der Wortlaut der Norm, wonach eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung anfechtbar ist, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, beschränkt ihre Anwendbarkeit nicht auf den Fall der Fremdbegünstigung. Vielmehr erschöpft sich die Bedeutung des "Wenn"-Satzes darin, den gutgläubigen Erwerber in Fällen der Fremdbegünstigung vor einer Anfechtung zu schützen. Im Fall der Selbstbestellung eines Teilrechts am eigenen Grundstück geht der Konditionalsatz ins Leere. Die Gläubigerbenachteiligung besteht darin, dass sich schon allein durch die Bestellung einer Grundstücksbelastung am eigenen Grundstück die Zugriffslage für die Gläubiger --unabhängig von einer sich daran anschließenden Übertragung des Grundeigentums-- verschlechtern kann. Denn im Fall einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück bleibt dieses im Rang vor dem Anfechtungsgläubiger stehende Teilrecht bestehen. Im Streitfall liegen solche Verschlechterungen der Zugriffslage für die Gläubiger vor. Der an den Grundstücken bestellte Nießbrauch kann zwar grundsätzlich Gegenstand der Pfändung sein; allerdings, wie sich aus § 857 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 1059 BGB ergibt, ist er der Pfändung nur insoweit unterworfen, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Wegen seiner Unveräußerlichkeit, die auch in der Zwangsvollstreckung Bestand hat, darf der Pfändungspfandgläubiger den Nießbrauch nicht zu seiner Befriedigung verwerten, sondern ihn nur zu diesem Zweck ausüben. Dies schließt eine Überweisung des Stammrechts selbst zur Einziehung oder an Zahlungs statt nach § 857 Abs. 1, § 835 Abs. 1 ZPO ebenso aus wie eine anderweitige Verwertung durch Versteigerung oder freien Verkauf.

Dem Gläubiger, der ins Leere gehen sollte, wurde geholfen. Der Nießbrauch wurde für anfechtbar erklärt und ist deshalb bei einer Zwangsversteigerung nicht zu beachten. Merke: Das Anfechtungsrecht macht das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen nahezu unmöglich.


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