Landgericht Stuttgart (38 O 4/14 KfH) festigt Rechtsprechung zur Feststellungsbedürftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen
Zwei Gründer haben eine hervorragende Geschäftsidee, mit der sie viel Geld verdienen wollen. Leider haben Sie keine gute Vorstellung von einer funktionierenden Gesellschaft. Sie gründen eine GmbH – wegen der Haftung –, an der beide hälftig mit 50 % beteiligt sind und beide als Geschäftsführer einzelvertretungsberechtigt für die GmbH auftreten. Das Desaster ist programmiert. Die Geschäftsidee floriert. Das Unternehmen wächst hektisch. Es kommt zu Reibereien. Irgendwann wird es einem Gründer zu bunt. Er will die Gesellschaft für sich allein und versucht den anderen, aus der Gesellschaft zu werfen. Durch das Aufblähen von Kleinigkeiten wird ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gezimmert. Dann muss nur geringe Abfindung gezahlt werden. Es folgen hitzige Gesellschafterversammlungen, bei denen die Gesellschafter versuchen, den jeweils anderen als Geschäftsführer abzuberufen und als Gesellschafter auszuschließen.
In der Rechtsprechung gibt es grundsätzlich drei verschiedene Verfahren, um diesem „Wettlauf der Abberufungen“ Herr zu werden. Sie sind gekennzeichnet von unterschiedlichem Respekt gegenüber der Autonomie der Gesellschaft. Nach der strengsten Ansicht muss der abberufene/ausgeschlossene Gesellschaftergeschäftsführer innerhalb Monatsfrist analog §§ 84 Abs. 3 S. 4, 246 Abs. 1 AktG einen solchen Beschluss der Gesellschafterversammlung gerichtlich anfechten. Wird er nicht tätig, ist ein solcher, in der Regel zweifelhafter Beschluss grundsätzlich wirksam. Eine vermittelnde Ansicht verlangt zumindest eine aktienrechtlich ordnungsgemäße Feststellung des Beschlusses durch einen Versammlungsleiter. So soll über die Form ein Mindestmaß materieller Richtigkeit sichergestellt werden. Das Landgericht Stuttgart hält demgegenüber mit dem Oberlandesgericht Stuttgart (20 W 11/97) Beschlüsse in zweigliedrigen GmbHs grundsätzlich für feststellungsbedürftig. Nur so könne das materielle Recht gewahrt werden. Kehrseite dieser Rechtsprechung ist allerdings, dass bis zu einer regelmäßig sehr späten Feststellung die bisherige Organisation der Gesellschaft für ein einstweiliges Verfügungsverfahren erhalten bleibt. Im Falle des Satzungsverstoßes durch einen Gesellschafter kann also der andere Gesellschafter diese Pflichtwidrigkeit als Geschäftsführer für die Gesellschaft verfolgen. Vor allem ein Wettbewerbsverstoß durch Umgehung der Gesellschaft, Abwerben von Kunden oder Durchführung von für die Gesellschaft akquirierten Geschäften ist auch durch einen Gesellschaftergeschäftsführer möglich, der unter Umständen schon mehrfach vom anderen Gesellschafter als Geschäftsführer abberufen wurde.
In der Praxis scheint nur diese Rechtsprechung angemessen. Die strenge Ansicht der Anfechtungsbedürftigkeit kann bei einer Kaskade von Beschlüssen dazu führen, dass vom angegriffenen Gesellschafter ein Beschluss übersehen wird, weil er ihm z.B. nicht zugestellt worden ist. Bei der vermittelnden Ansicht ist die Frage der richtigen Beschlussfeststellung nur schwierig zu beantworten. Gerade bei Zweipersonen-Gesellschaften kann eine solche Vorgehensweise pure Förmelei sein. Nur wenn klar ist, dass erst nach gerichtlicher Feststellung der Beschluss einer solchen Gesellschafterversammlung wirksam wird, kann sich zumindest pro forma die Gesellschaft gegen Wettbewerbsverstöße im einstweiligen Verfügungsverfahren bis auf weiteres verteidigen.
Cornel Pottgiesser, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Montag, 7. April 2014
Mittwoch, 11. September 2013
Pauschaler Ausschluss der Mängelhaftung für Gebrauchtware in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil vom 29. Mai 2013 (BGH VIII ZR 174/12) seine deutliche Linie zur Unwirksamkeit eines pauschalen Haftungsausschlusses in Allgemeinen Geschäftsbedingungen fort.
Die Kläger, Eheleute, kauften einen gebrauchten Geländewagen
mit Flüssiggasantrieb. In den Geschäftsbedingungen der Beklagten hieß es: „Ansprüche
des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des
Kaufgegenstandes an den Kunden.“ Diese Beschränkung der Haftung sollte bei
Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit nicht gelten.
Das Fahrzeug wurde den Klägern am 2006 übergeben. An der
Gasanlage traten in der Folgezeit Funktionsstörungen auf, die auf einem
fehlerhaften Einbau der Flüssiggasanlage beruhten. Die Kläger mahnten die
Mängel 2008 an. Mit anschließender Klage begehren die Kläger Mängelbeseitigung.
Die Beklagte hat sich vor allem auf die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen
berufen.
Die ausnahmslose Abkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr
in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist unwirksam, weil sie
gegen die Klauselverbote in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB verstößt. Gemäß §
438 Abs. 1 Nr. 3 BGB beträgt die gesetzliche Verjährungsfrist für Mängelhaftung
bei Kaufvertrag zwei Jahre. Nach den Klauselverboten in § 309 Nr. 7 Buchst. a
und b BGB kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für
Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall
einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Eine Begrenzung
der Haftung im Sinne des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB ist auch die zeitliche
Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch
Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen.
Hiergegen verstößt die Abkürzung der Verjährungsfrist in den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen, da auch Schadensersatzansprüche des Käufers
umfasst werden, die auf Ersatz eines Körper- oder Gesundheitsschadens wegen
eines vom Verkäufer zu vertretenden Mangels gerichtet oder auf grobes
Verschulden des Verkäufers oder seiner Erfüllungsgehilfen gestützt sind.
Die allgemeine Einschränkung des Haftungsausschlusses für
Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ist gemäß
§ 305c Abs. 2 BGB (kundenfeindlichste Auslegung) so auszulegen, dass von einer
gegenständlichen Haftungsbeschränkung, nicht dagegen von der zeitlichen
Haftungsbegrenzung auszugehen ist.
Der Bundesgerichtshof verweist auf sein Urteil vom 19. September 2007 (BGH VIII ZR 141/06), mit dem er diesen Haftungsausschluss ausdrücklich
sowohl im unternehmerischen Verkehr als auch bei Gebrauchtwaren für unwirksam
erklärte. Über diese Rechtsprechung lässt sich vortrefflich streiten. Der
Bundesgerichtshof hat mit seiner Rechtsprechung offensichtlich die Regel der
Nichtanwendbarkeit der Klauselverbote in §§ 308 - 309 gegenüber einem
Unternehmer gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 durch extensive Auslegung von § 310 Abs. 1
S. 2 BGB in ihr Gegenteil verkehrt. Letztendlich ist die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in dieser Frage aber deutlich, auch wenn in der jüngsten
Vergangenheit Hoffnung auf eine liberalere Rechtsprechung aufkeimte.
Diese Rechtsprechung scheint auch heutzutage noch nahezu
unbekannt zu sein, so dass die Entscheidung samt erneutem Verweis des
Bundesgerichtshofs hierauf zu begrüßen ist. Mit dem Brustton der Überzeugung
wird immer noch vor und von unterinstanzlichen Gerichten behauptet, dass doch
unter Unternehmern der pauschale Haftungsausschluss für Gebrauchtware üblich
und zulässig sei. Aber auch im Hinblick auf den nichtunternehmerischen Verkehr
schafft diese Entscheidung Klarheit.
Montag, 11. März 2013
Gläubiger können auch durch einen Nießbrauch des Schuldners am eigenen Grundstück benachteiligt werden
Landgericht Ulm lässt Anfechtung zu
Die Bestellung dinglicher Rechte wie dem Nießbrauch am eigenen Grundstück ist nach dem Landgericht Ulm (Urteil vom 30.11.2012, 2 O 137/12) unmittelbar nach § 3 Abs. 1 Anfechtungsgesetz anfechtbar. Das Landgericht Ulm folgt insoweit dem Bundesfinanzhof (Urteil vom 30.3.2010, VII R 22/09). Der Wortlaut der Norm, wonach eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung anfechtbar ist, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, beschränkt ihre Anwendbarkeit nicht auf den Fall der Fremdbegünstigung. Vielmehr erschöpft sich die Bedeutung des "Wenn"-Satzes darin, den gutgläubigen Erwerber in Fällen der Fremdbegünstigung vor einer Anfechtung zu schützen. Im Fall der Selbstbestellung eines Teilrechts am eigenen Grundstück geht der Konditionalsatz ins Leere. Die Gläubigerbenachteiligung besteht darin, dass sich schon allein durch die Bestellung einer Grundstücksbelastung am eigenen Grundstück die Zugriffslage für die Gläubiger --unabhängig von einer sich daran anschließenden Übertragung des Grundeigentums-- verschlechtern kann. Denn im Fall einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück bleibt dieses im Rang vor dem Anfechtungsgläubiger stehende Teilrecht bestehen. Im Streitfall liegen solche Verschlechterungen der Zugriffslage für die Gläubiger vor. Der an den Grundstücken bestellte Nießbrauch kann zwar grundsätzlich Gegenstand der Pfändung sein; allerdings, wie sich aus § 857 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 1059 BGB ergibt, ist er der Pfändung nur insoweit unterworfen, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Wegen seiner Unveräußerlichkeit, die auch in der Zwangsvollstreckung Bestand hat, darf der Pfändungspfandgläubiger den Nießbrauch nicht zu seiner Befriedigung verwerten, sondern ihn nur zu diesem Zweck ausüben. Dies schließt eine Überweisung des Stammrechts selbst zur Einziehung oder an Zahlungs statt nach § 857 Abs. 1, § 835 Abs. 1 ZPO ebenso aus wie eine anderweitige Verwertung durch Versteigerung oder freien Verkauf.
Dem Gläubiger, der ins Leere gehen sollte, wurde geholfen. Der Nießbrauch wurde für anfechtbar erklärt und ist deshalb bei einer Zwangsversteigerung nicht zu beachten. Merke: Das Anfechtungsrecht macht das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen nahezu unmöglich.
Die Sozietät Pottgiesser & Partner berät mittelständische Unternehmen und Familienunternehmer. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich des Wirtschaftsrechts, Erbrechts und internationalen Rechts. Die Kanzlei wurde 1999 gegründet; ihre Partner wurden teilweise im Ausland ausgebildet und sind als Fachanwälte zugelassen.
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Montag, 2. Juli 2012
Kennzeichenstreitsache selbst dann, wenn der Kläger sich auf § 5 Abs. 2 UWG stützt
Landgericht Aschaffenburg bestätigt die Konzentration von
Kennzeichenstreitsachen in Nordbayern beim Landgericht Nürnberg-Fürth
Mit der Ergänzung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb
(UWG) durch den Zusatz in § 5: „Eine geschäftliche Handlung ist auch
irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder
Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr
mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem
anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft.“ hatte sich die Vorrangthese
des Bundesgerichtshofs (seit BGHZ 138, 349 - MAC Dog) nahezu erledigt. Nach dieser These war ein Fall
ausschließlich nach dem Markengesetz zu beurteilen, wenn es um eine Marke ging.
Mit der obigen Übernahme des Regelungsinhaltes der europäischen Richtlinie über
unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG, „UGP-Richtlinie“) kann eine
diesbezügliche Markenverletzung auch ausschließlich auf § 5 Abs. 2 UWG gestützt
werden.
Was bedeutet das allerdings für die konzentrierte
Zuständigkeit einzelner Landgerichte in den Bundesländern bei Kennzeichenstreitsachen
gemäß § 140 Markengesetz? Nach Ansicht des Landgerichts Aschaffenburg (2HK O 73/11) sind auch Klagen, die ausschließlich auf § 5 Abs. 2 UWG
geschützt werden, vor dem nach § 140 Markengesetz zuständigen Landgericht zu
verhandeln, in Bayern beispielsweise also ausschließlich vor dem Landgericht
Nürnberg-Fürth oder dem Landgericht München. Die fachliche Kompetenz dieses
Gerichts soll auch für Kennzeichenstreitigkeiten nach dem UWG genutzt werden.
Das macht Sinn, ist aber auch dadurch begründet, dass auch Streitigkeiten nach
§ 5 Abs. 2 UWG letztendlich auf dem Markengesetz basieren, nämlich der
Entscheidung, ob überhaupt eine Marke entstanden und verletzt wurde.
Die Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg, die vom
Oberlandesgericht Bamberg in der Berufungsverhandlung insoweit ausdrücklich als
richtig erachtet wurde, ist zu begrüßen: Sie verhindert Entscheidungen durch
mit Markensachen nicht vertrauten Landgerichten. Der schon jetzt nicht gerade
starken Einheitlichkeit der Rechtsprechung im gewerblichen Rechtsschutz ist
damit gedient.
Auffällig ist die Entscheidung des Landgerichts
Aschaffenburg noch im Hinblick auf die Zurückweisung eines Antrags auf
einstweilige Verfügung bei Unzuständigkeit. Sie stützt die nicht besonders
verbreitete Meinung von Teplitzky Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren
Kapitel 55 Rn. 28 Fußn. 60 m.w.N.; Pastor/Ahrens/Bähr Wettbewerbsprozess
Kapitel 56 Rn. 24. Der grundrechtlich geschützte Anspruch des
Verfügungsbeklagten auf den gesetzlichen Richter und rechtliches Gehör (Art.
101 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 1 GG) würde unzumutbar beschnitten, dürfte der
Rechtsstreit noch an das zuständige Gericht verwiesen werden. Der
Verfügungsbeklagte bliebe bis zur Entscheidung des zuständigen Gerichts an ein
Verbot gebunden, das mangels Zuständigkeit des erkennenden Gerichts nicht
ergehen durfte. Bei gewöhnlichen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz mag
das noch angehen. Angesichts der Bedeutung von Zuständigkeitsfragen in
Wettbewerbsprozessen darf dieser Mangel bei Erlass der Beschlussverfügung nicht
bagatellisiert werden. Die fehlende Möglichkeit der Revision zum
Bundesgerichtshof gibt dem Gerichtsstand und der damit verbundenen
einschlägigen Rechtsprechung des zuständigen Oberlandesgerichts entscheidende
Bedeutung. Bekanntlich variiert die Rechtsprechung zwischen den verschiedenen
Oberlandesgerichten erheblich.
Montag, 23. April 2012
Anwartschaftsrecht des Erwerbers eines Geschäftsanteils einer GmbH ist geschützt
Bundesgerichtshof erteilt modifizierten Gesellschafterlisten
(„Zwei-Listen-Modell“) eine Absage
Seit der Modernisierung des GmbH-Rechts ist der gutgläubige
Erwerb eines Geschäftsanteils an einer GmbH mit gewissen Einschränkungen
möglich. Zwar gilt § 16 Abs. 3 GmbHG wegen seines umständlichen Wortlauts mit
geschachteltem Grundsatz/Ausnahme-Verhältnis allgemein als verunglückt, doch
kann ein Erwerber bei widerspruchsloser Aufnahme eines Gesellschafters in der Gesellschafterliste über
zumindest 3 Jahre den Geschäftsanteil regelmäßig gutgläubig erwerben.
Im Falle einer erst in der Zukunft wirksamen Abtretung haben
verschiedene Notare diese Abtretung bereits in der Gesellschafterliste
vermerkt („Zwei-Listen-Modell“). Dahinter stand das Bestreben, dem Ersterwerber
nach einer aufschiebend bedingten Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils ein
Mittel gegen einen gutgläubigen Erwerb dieses Anteils bei erneuter Abtretung
durch den Veräußerer (Zweiterwerb) an die Hand zu geben. Der gutgläubige Erwerb
vom Noch-Gesellschafter sollte so unterbunden werden.
Der Bundesgerichtshof verwirft diese Gesellschafterlisten in
seiner Entscheidung (II
ZB 17/10) vom 20. September 2011. Das Anwartschaftsrecht des Ersterwerbers sei
stärker geschützt als sein Vollrecht, weil die Gesellschafterliste über § 161
Abs. 3 BGB den durch § 161 Abs. 1 BGB vermittelten Schutz bei aufschiebend
bedingten Verfügungen nicht relativiere. Ein aufschiebend bedingt abgetretener
Geschäftsanteil könne nicht nach § 161 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 16 Abs. 3
GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs richtig. So werden
Gesellschafterlisten einfach und praktikabel gehalten. § 161 Abs. 1 BGB, der
die Unwirksamkeit von Verfügungen über Forderungen bis zum Eintritt der
aufschiebenden Bedingung festgelegt, wird gestärkt. Ein Bedürfnis für eine
weitere Komplikation des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen, nämlich
die modifizierte Gesellschafterliste („Zwei-Listen-Modell“) besteht deshalb
nicht.
Donnerstag, 9. Februar 2012
Aufstellungsbeschluss macht Baugrundstück mangelhaft - Oberlandesgericht Stuttgart lässt Verkäufer für alle aufgrund eines Aufstellungsbeschlusses erlassenen Baubeschränkungen haften
Eine alltägliche Situation: Ein Grundstück, für das ein gültiger Bebauungsplan besteht, soll verkauft werden. Der potentielle Käufer (Bauträgergesellschaft) hat nur ein Interesse an einem Baugrundstück. Alle Beteiligten suchen die Baurechtsbehörde auf und prüfen den Bebauungsplan. Aufgrund der möglichen Bebauung wird der Kaufpreis festgesetzt. Etwaige Risiken scheint es nicht zu geben. Trotzdem wird die Bauplatzeigenschaft zugesichert. Nach Erwerb des Grundstücks reicht der Käufer seinen dem Bebauungsplan entsprechende Bauantrag ein. Die Gemeinde sieht die Nutzung der bestehenden Bebauung gefährdet und stellt den Bauantrag zurück, erlässt schließlich Veränderungssperre und einen abweichenden Bebauungsplan, der eine wirtschaftliche Bebauung unmöglich macht. Grundlage ist ein mehr als 15 Jahre alter Aufstellungsbeschluss der Gemeinde, den weder die Gemeinde, noch Käufer oder Verkäufer kannten. Alle sind verärgert. Wer muss für die nun fehlende Bebaubarkeit des Grundstücks haften?
Zwar verneint das Oberlandesgericht Stuttgart in seiner Entscheidung vom 10. Januar 2012 (12 U 94/10) eine Garantie der Bauplatzeigenschaft, da allen Beteiligten klar gewesen sein musste, dass der Verkäufer nicht verschuldensunabhängig für die Bebaubarkeit einstehen wollte, doch bejaht es eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung. Bauplatzeigenschaft schließt also das Fehlen eines Aufstellungsbeschlusses der Gemeinde ein. Das klingt schlüssig. Mit einem Aufstellungsbeschluss kann die Gemeinde die Bebaubarkeit eines Grundstücks grundlegend ändern. Dieses Risiko fällt in die Sphäre des Verkäufers, wenn es um ein Baugrundstück geht. Die Möglichkeit eines späteren Aufstellungsbeschluss ändert daran nichts. Diese alternative Kausalität ändert nichts an der Kausalität des vor Abschluss des Kaufvertrages schon erlassenen Aufstellungsbeschluss für die nachfolgende Beschränkung der Bebaubarkeit.
Das Urteil ist rechtskräftig. Das Oberlandesgericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, doch wollte der Verkäufer den Rechtsstreit nicht weiter verfolgen.
Zwar verneint das Oberlandesgericht Stuttgart in seiner Entscheidung vom 10. Januar 2012 (12 U 94/10) eine Garantie der Bauplatzeigenschaft, da allen Beteiligten klar gewesen sein musste, dass der Verkäufer nicht verschuldensunabhängig für die Bebaubarkeit einstehen wollte, doch bejaht es eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung. Bauplatzeigenschaft schließt also das Fehlen eines Aufstellungsbeschlusses der Gemeinde ein. Das klingt schlüssig. Mit einem Aufstellungsbeschluss kann die Gemeinde die Bebaubarkeit eines Grundstücks grundlegend ändern. Dieses Risiko fällt in die Sphäre des Verkäufers, wenn es um ein Baugrundstück geht. Die Möglichkeit eines späteren Aufstellungsbeschluss ändert daran nichts. Diese alternative Kausalität ändert nichts an der Kausalität des vor Abschluss des Kaufvertrages schon erlassenen Aufstellungsbeschluss für die nachfolgende Beschränkung der Bebaubarkeit.
Das Urteil ist rechtskräftig. Das Oberlandesgericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, doch wollte der Verkäufer den Rechtsstreit nicht weiter verfolgen.
Montag, 9. Mai 2011
19 Tage sind zu langsam! - Oberlandesgericht Stuttgart schafft Klarheit zur Rückwirkung der Zustellung (§ 167 ZPO)
Inkassounternehmen kennen das: Der Anspruch des Kunden droht am 31. Dezember zu verjähren. Um den wirtschaftlichen Totalverlust der Forderung zu vermeiden, wird kurz vor Jahresende noch ein Mahnbescheid beantragt oder eine Klageschrift bei Gericht eingereicht. Es wird hektisch, weil viele Kundenansprüche zu bearbeiten sind. Hoffentlich stimmt jedenfalls die Adresse des Beklagten.
Es kommt, wie es kommen muss: die Klage kann im neuen Jahr nicht zugestellt werden und das Gericht fragt eine neue, zustellungsfähige Adresse an. Jetzt gilt es schnell zu sein, um die im neuen Jahr grundsätzlich bereits eingetretene Verjährung zu verhindern. Auch wenn eine exakte Frist fehlt, muss ein solcher Mahnbescheid oder Klage in jedem Fall gemäß § 167 Zivilprozessordnung „demnächst" zugestellt werden. Dann wirkt er auf den Eingang des Antrags zurück. Diese Ausnahme von der eigentlich schon eingetretenen Verjährung ist eng auszulegen. Der Anspruchsinhaber muss alles Erforderliche tun, damit die richtige Adresse dem Gericht übermittelt und der Schriftsatz anschließend zugestellt werden kann. In Zeiten elektronischer Einwohnermeldeämter lässt sich laut Oberlandesgericht Stuttgart (7 U 175/10 vom 28. März 2011) die richtige Adresse innerhalb weniger Tage, jedenfalls schneller als in 19 Tagen ermitteln und an das Gericht übermitteln. Es bewahrheitet sich, dass „unverzüglich“ im Rechtssinn nahezu ausnahmslos schneller als 14 Tage bedeutet.
Die Sozietät Pottgiesser & Partner berät mittelständische Unternehmen und Familienunternehmer. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich des Wirtschaftsrechts, Erbrechts und internationalen Rechts. Die Kanzlei wurde 1999 gegründet; ihre Partner wurden teilweise im Ausland ausgebildet und sind als Fachanwälte zugelassen.
Weitere Informationen unter www.pottgiesser.de.
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Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Cornel Pottgiesser, Tel.: 0711/3511678, Fax: 0711/3511679 E-Mail: c.pottgiesser@pottgiesser.de, Gayernweg 17-2, 73733 Esslingen
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